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12.02.2018

Zahl der Woche

W-Masse Tafel

Mehr als einfach eine Zahl: der von ATLAS-Forschern ermittelte Wert der Masse des W-Teilchens. Bild: DESY

Unsere Zahl der Woche ist 80370±19 MeV: die Masse des W-Teilchens. Und sie ist eine kleine Sensation. Denn es ist das erste Mal, dass dieser Wert am Large Hadron Collider (LHC) gemessen wurde. Außerdem ist es das erste Mal, dass Daten vom LHC für so eine komplexe und höchst präzise Messung genutzt werden. Der wuchtige Teilchenbeschleuniger LHC, trotz komplizierter High-Tech-Komponenten eigentlich ein Instrument für den großen Überblick, schafft es hier, ein feines Detail zu beleuchten. Mit der Hilfe von Wissenschaftlern wie Matthias Schott von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Doch von vorn: was ist dieses W-Teilchen, und warum ist seine Masse so interessant? Das W-Teilchen ist eins der Teilchen, die als “Boten” eine Kraft übertragen. Das Photon zum Beispiel ist Botenteilchen der elektromagnetischen Kraft (die kennen wir von Strom, Licht, Magneten und so) , das Gluon überträgt die starke Kraft, die die Quarks im Innern von Protonen und Neutronen zusammenhält. Das W-Teilchen ist zusammen mit dem Z-Teilchen für die schwache Kraft zuständig, die dafür sorgt, dass Teilchen sich umwandeln können und so zum Beispiel unsere Sonne am Leuchten hält.

Alle diese Botenteilchen – auch Bosonen genannt – sind Grundbestandteile des Standardmodells der Teilchenphysik, und je genauer man diese Grundbestandteile kennt, desto leichter ist es, Abweichungen und unerwartete Vorgänge aufzuspüren. Im Falle des W-Teilchens gab es eine sehr genaue theoretische Vorhersage der Masse, die die Physiker durch Untersuchungen der Teilchenkollisionen nun überprüfen konnten. Mit Hilfe von Daten aus dem Jahr 2011 des LHC bei einer Kollisionsenergie von 7 TeV haben jetzt die Wissenschaftler des ATLAS Experiments in aufwändigen Studien einen neuen Wert für die Masse des W-Teilchens ermittelt, den sie im Fachmagazin European Physical Journal C veröffentlicht haben.

Der Wert ist konsistent mit der theoretischen Vorhersage und erreicht die Genauigkeit der bisher besten Messungen vom Tevatron-Beschleuniger in den USA. “Unsere Messung bestätigt, was die Theorie prognostiziert hat“, sagt Schott, und fügt hinzu: „Leider, leider. Denn eine Abweichung wäre natürlich eigentlich viel spannender gewesen, weil sie einen Hinweis auf etwas Neues, Unerwartetes gegeben hätte. Zunächst einmal sind wir aber stolz, mit unserem Detektor eine so genaue Messung durchführen zu können.“

Für die Untersuchung haben sich rund 20 Wissenschaftler zwei bestimmte Zerfälle vorgenommen und diese in fünf Jahren langwieriger Arbeit studiert. Denn wie fast immer in der Teilchenphysik kann man die Untersuchungsobjekte nicht direkt beobachten, sondern nur anhand von einer Indizienkette aus anderen Teilchen, in die das W-Boson zerfallen ist Rückschlüsse darauf ziehen was mit ihm passiert sein muss. „Das W zerfällt in alles mögliche“, sagt Schott, „wir haben uns nur die Zerfälle angeguckt, bei denen entweder ein Myon und ein Neutrino oder ein Elektron und ein Neutrino herausgekommen sind.“ Diese galt es also herauszufiltern, um dann die Energie des herausfliegenden Myons oder Elektrons so präzise wie möglich zu bestimmen. Dazu muss man die Positionen im Detektor mit einer Präzision von 10 Mikrometern, also 10 millionstel Meter, kennen. Anhand dieser Kennzahlen und auf Basis von vielen Kollisionen kamen die Wissenschaftler also auf die 80370±19 MeV für die Masse des W-Teilchens. Der nächste Schritt: Daten aus anderen Jahren und mit höheren Kollisionsenergien zu untersuchen. Vielleicht zeigt sich dann bei nochmals erhöhter Genauigkeit die langersehnte Abweichung zu den Vorhersagen des Standardmodells der Teilchenphysik.

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