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30.03.2010

Das LHC-Forschungsprogramm geht los

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Foto: CERN

Am 30. März um 13:06 Uhr kollidierten Teilchen im LHC mit einer Energie von 7 TeV und markierten so den Start des LHC Forschungsprogramms. Teilchenphysiker aus aller Welt hoffen jetzt auf eine Fülle von Daten für neue Physik, denn der LHC beginnt seine erste längere Betriebsphase mit einer dreieinhalb Mal höheren Energie als bisher in einem Beschleuniger möglich.

„Heute ist der beste Tag, um Teilchenphysiker zu sein”, sagt CERN-Generaldirektor Rolf Heuer. „Viele haben lange auf diesen Moment gewartet, ab jetzt werden sich ihre Geduld und ihr Engagement bezahlt machen.“

„Mit diesen Rekord-Kollisionsenergien wird die Forschung mit den LHC-Experimenten in unerforschte Gebiete vorstoßen, und es beginnt die Jagd nach dunkler Materie, neuen Kräften, neuen Dimensionen und dem Higgs-Boson“, so die Sprecherin der ATLAS-Kollaboration Fabiola Gianotti. „Die Tatsache, dass es bereits Veröffentlichungen auf der Basis der Daten vom letzten Jahr gibt, ist ein gutes Zeichen für diese erste Betriebsphase.“

„Wir sind sehr beeindruckt, wie gut der LHC bisher gelaufen ist”, sagt Guido Tonelli, Sprecher des CMS-Experiments, „und es ist besonders erfreulich, dass unsere Teilchendetektoren so gut funktionieren, während Physikerteams weltweit schon Daten analysieren. Wir werden uns bald mit einigen der wichtigsten Rätsel der modernen Physik beschäftigen, wie dem Ursprung der Masse, der großen Vereinheitlichung der Naturkräfte und der Existenz großer Mengen dunkler Materie im Universum. Wir gehen aufregenden Zeiten entgegen.“

„Auf diesen Moment haben wir gewartet und uns vorbereitet”, so ALICE-Sprecher Jürgen Schukraft. „ Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse der Protonen-Kollisionen und, später im Jahr, auf die der Blei-Ionen-Kollisionen. Damit bekommen wir neue Einblicke in die starke Wechselwirkung und in die Entstehung der Materie im Universum.“

„LHCb ist bereit für die neue Physik”, erklärt der Sprecher des LHCb-Experiments Andrei Golutvin. „Vor uns liegt ein großes Forschungsprogramm zur Entdeckung der Eigenschaften der Materie-Antimaterie-Symmetrie, das weit über die bisherigen Möglichkeiten hinausgeht.“

Der LHC am CERN wird jetzt für 18 bis 24 Monate laufen und die Experimente mit genug Daten versorgen, um deutliche Fortschritte in vielen Bereichen der Physik zu machen. Wenn die bekannten Teilchen des Standardmodells dann „wieder entdeckt“ worden sind – eine wichtige Voraussetzung zur Erforschung der neuen Physik – werden die LHC-Experimente systematisch nach dem Higgs-Boson suchen. Mit der zu erwartenden Datenmenge – Physiker bezeichnen sie als ein inverses Femtobarn – kann mit den kombinierten Analysen der ATLAS- und CMS-Daten ein großer Masse-Bereich untersucht werden und letztlich das Higgs-Teilchen entdeckt werden, sollte es eine Masse um 160 GeV haben. Sollte es wesentlich leichter oder sehr viel schwerer sein, wird es schwieriger, es während dieser ersten Betriebsphase zu finden.

Für die Erforschung der Supersymmetrie werden ATLAS und CMS genug Daten liefern, um die zurzeit mögliche Empfindlichkeit für Entdeckungen zu verdoppeln. Heutzutage können die Experimente supersymmetrische Teilchen bis 400 GeV Masse ausschließen. Ein inverses Femtobarn am LHC erhöht die Entdeckungsschwelle auf 800 GeV.

„Die Chancen stehen gut, dass in den nächsten zwei Jahren am LHC supersymmetrische Teilchen entdeckt werden“, erklärt Heuer, „und wir bekommen möglicherweise einen Einblick, woraus etwa ein Viertel des Universums besteht.“

Sogar in den exotischeren Bereichen des LHC-Entdeckungspotenzials wird die jetzige LHC-Betriebsphase die augenblicklichen Entdeckungsmöglichkeiten verdoppeln. Die LHC-Experimente können neue massive Teilchen mit einer Masse von bis zu 2 TeV aufspüren, die auf das Vorhandensein von Extra-Dimensionen hinweisen. Heute ist das nur im Bereich bis etwa 1 TeV möglich.

„Mehr als 2000 Doktoranden warten sehnsüchtig auf Daten von den LHC-Experimenten”, sagt Heuer, „sie haben das Privileg, die ersten Dissertationen an der neuen Hochenergiephysik-Grenze (Front??) zu produzieren.“

Nach der jetzt angelaufenen LHC-Betriebsphase wird die Maschine für eine routinemäßige Wartung heruntergefahren, um Reparaturarbeiten, die aufgrund des Zwischenfalls am 19. September 2008 notwendig sind, und die Aufrüstung zum Erreichen der geplanten Energie von 14 TeV durchzuführen. Bisher lief der Beschleunigerbetrieb am CERN in einem jährlichen Zyklus ab: sieben bis acht Monate Betrieb und vier bis fünf Monate Abschaltung pro Jahr. Da der LHC aber eine Maschine mit supraleitender Technik ist, braucht sie einen Monat, um auf Raumtemperatur zu kommen und wiederum einen Monat, um herunterzukühlen. Deshalb ist eine vier Monate dauernde Abschaltung innerhalb eines Jahres bei so einer Maschine nicht sinnvoll. Deshalb wird es am CERN zukünftig einen längeren Zyklus geben, mit einer verlängerten Betriebsphase und, falls erforderlich, mit einer verlängerten Abschaltung.

„Ein ununterbrochener Betrieb für zwei Jahre ist sicherlich anspruchsvoll, sowohl für die Beschleunigermannschaft als auch für die Experimente, aber die Mühe wird sich lohnen“, so Heuer. „Wenn wir jetzt mit einer lange Betriebsphase starten und die Vorbereitungen für die 14 TeV-Kollisionen in nur einer Betriepspause schaffen, dann erhöhen wir die Gesamtbetriebszeit innerhalb der nächsten drei Jahre. Damit holen wir verlorene Zeit auf und sorgen dafür, dass die Experimente sich an die Arbeit machen können.“

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