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Aus der Reihe „Stolpersteine auf dem Weg zum LHC
Aus der Reihe „Stolpersteine auf dem Weg zum LHC"

Ministerialdirektor a.D. Hermann Schunck, ehemaliger Mitarbeiter des Forschungsministeriums und ehemaliger deutscher Delegierter im CERN-Rat, erzählt seine eigene Geschichte der Entwicklung des Large Hadron Collider. Er erinnert sich an Finanzierungsengpässe, die Wiedervereinigung und die besondere Atmosphäre im CERN-Rat und schildert so Physikgeschichte aus Politikersicht - "Stolpersteine und Meilensteine" in fünf Teilen. Dieser Text erscheint demnächst im Springer-Verlag in dem Sammelband "Großforschung in neuen Dimensionen". Alle Teile der Serie:

Einleitung

Teil 1: CERN und sein Budget

Teil 2: Die Ausgangslage

Teil 4: Es geht los

Teil 5: Krise und Neuanfang

Aus der Reihe „60 Jahre CERN
Aus der Reihe „60 Jahre CERN"
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06.11.2014

Stolpersteine und Meilensteine: Der mühevolle Weg zum Large Hadron Collider

Teil 3: Die Wiedervereinigung und der LHC

Magnetprototypr

Während der CERN-Rat noch feilschte, wurden in der deutschen Industrie bereits Prototypen gebaut. Hier ein Bild aus dem Jahr 1997. (Bild: CERN)



Das politische Umfeld, in dem diese weitreichendeEntscheidung für ein neues Großgerät bei CERN getroffen werden sollte, war nicht sonderlich günstig. Es gab Probleme, die vor allem von Deutschland (und auch von Großbritannien) ausgingen – daran gibt es nichts zu beschönigen. Ausgelöst wurden diese Probleme durch das erfreulichste Ereignis der jüngeren deutschen Geschichte, der Wiedervereinigung. Wir erinnern uns, dass damals in Deutschland ein großer Optimismus vorherrschte. Man feierte, die historische Chance ergriffen zu haben, während die durch den Zusammenschluss so ungleicher Teile Deutschlands verursachten Kosten zunächst einfach ignoriert wurden.

So war es auch mit dem deutschen Beitrag zu CERN. Die deutsche Delegation im CERN-Rat glaubte zunächst, den durch die Vereinigung erhöhten Beitrag leicht aufbringen zu können; Deutschlands rechnerischer Anteil war aber von 22% (1990) auf knapp 24% (1993) und dann (ab 1994) auf mehr als 25% gestiegen. Es zeigte sich spätestens bei der Aufstellung des Bundeshaushaltes 1993, dass die Spitze des Forschungsministeriums weder bereit noch in der Lage war, einen drastisch gestiegenen deutschen CERN-Beitrag zu akzeptieren. So blieb nur, im CERN-Rat um Verständnis für die besondere Situation Deutschlands zu werben und zu erreichen, dass der deutsche Beitrag in etwa im Bereich des Beitrages von vor der Vereinigung blieb. Die Wiedervereinigung Deutschlands wurde so zu einem ganz dicken Stolperstein.

Beitragskurve

Die Entwicklung des deutschen Beitrags (in % Nettovolkseinkommen) zum CERN-Budget.

Zur Sitzung des CERN-Rates im Dezember 1992 bat die deutsche Delegation förmlich um eine Reduzierung Ihres Beitrages, gemeinsam mit Großbritannien, das unter einem schwächelnden Pfund litt. Der ursprüngliche Vorschlag der deutschen Delegation war, die Obergrenze eines Beitrages generell von 25% auf 20% zu reduzieren.

Nach längeren Diskussionen in den CERN-Gremien wurde das CERN-Budget für 1993 gegenüber dem Voranschlag um 15 Millionen Schweizer Franken gekürzt; für den deutschen Beitrag wurde darüber hinaus für die Jahre 1994 bis 1998 eine Begrenzung auf 22.5% verabredet. Der deutsche Beitrag wurde so in diesen Jahren auf etwa 190 Millionen Schweizer Franken jährlich begrenzt, das entsprach in etwa dem Stand von 1990. Die deutsche Zustimmung zum Bau des LHC war nicht nur an diese Bestätigung der Beitragsbegrenzung für Deutschland gebunden, sondern auch an eine harte Begrenzung der Beiträge insgesamt sowie an substanzielle zusätzliche Leistungen der beiden Sitzstaaten Schweiz und Frankreich, in der Summe etwa 200 Millionen Schweizer Franken.

Mit einigen technischen Nebenabreden kostete diese Vereinbarung CERN gegenüber den vorherigen Planungen rund 200 Millionen Schweizer Franken. Auch einige andere Länder hatten damals wirtschaftliche und fiskalische Probleme; entsprechend wurden die Beiträge von Griechenland, Spanien und Portugal vom Rat reduziert.

Aber es kam noch ärger. 1996 beschloss der Rat, den LHC endgültig in einer Stufe zu bauen. Auf strikte Weisung der politischen Leitung des damaligen Bundesministeriums für Forschung und Technologie BMFT forderte die deutsche Delegation bei dieser Gelegenheit erneut eine Reduzierung des deutschen Beitrages. Die übrigen Mitgliedsländer waren allerdings nicht bereit, Deutschland über die vorher vereinbarten fünf Jahre hinaus weitere Sonderkonditionen zu gewähren. Da auch einige andere Mitgliedsländer Probleme mit der Höhe ihrer Beiträge hatten, kam es zu einer generellen Kürzung der Beiträge, 1997 um zunächst ca. 8% und schließlich ab 2001 um ca. 9%. Für die Bauzeit des LHC bedeutete dies insgesamt für CERN einen weiteren Verlust von Einnahmen in Höhe von rund 700 Millionen Schweizer Franken.

Dieser Stolperstein, eigentlich schon ein Fels, wurde schließlich überwunden, indem der Rat 1996 zum Ausgleich dieser Kürzungen u. a. der Aufnahme von Krediten zur Zwischenfinanzierung des LHC zustimmte. Ohne diese Lockerung der Finanzierungsbedingungen, die einigen Mitgliedstaaten (auch Deutschland) angesichts eigentlich klarer Bestimmungen im nationalen Haushaltsrecht durchaus Probleme bereitete, hätte das Projekt leicht vor die Wand fahren können. Übrigens ist die Vorgehensweise der deutschen Delegation später tatsächlich durch den Bundesrechnungshof gerügt worden.

Rhetorisch wurde diese Absenkung des CERN-Budgets mit viel Krokodilstränen, doch nicht ganz zu Recht, Deutschland angelastet; hatten sich doch bei dieser Gelegenheit alle Mitgliedsländer einen ordentlichen Rabatt genehmigt und einige sich dabei geschickt hinter der deutschen Delegation versteckt.

Weiter zu Teil 4.

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