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19.08.2016

Neutrinos auf der Goldwaage: das JUNO-Experiment

JUNO

Künstlerische Darstellung des JUNO-Detektors.

Neutrinos sind extrem leichte, elektrisch neutrale und schwach wechselwirkende Elementarteilchen. Sie passieren jede Art von Materie nahezu ungehindert und Milliarden von ihnen rauschen unbemerkt jede Sekunde durch den menschlichen Körper. Neutrinos durchdringen alles, allerdings ist es schwer sie nachzuweisen, zu vermessen oder nur eine Spur von ihnen zu finden.

Wissenschaftler vermuten, dass Neutrinos durch bestimmte, bisher noch nicht nachgewiesene Eigenschaften dafür verantwortlich sein könnten, dass beim Urknall nur Materie und keine Antimaterie übrig geblieben ist. Verschiedene Experimente beschäftigen sich mit Neutrinos. Einige versuchen dafür die aus dem All stammenden Neutrinos in unterirdischen Detektoren zu „fangen“, andere produzieren die Teilchen mit Hilfe von Teilchenbeschleunigern oder Forschungsreaktoren und versuchen so, die mysteriösen Teilchen besser zu verstehen. Eins davon ist das JUNO-Experiment, an dem unter anderem auch die Universität Hamburg, die Uni Mainz, die RWTH Aachen, die Uni Tübingen, die TU München und das Forschungszentrum Jülich beteiligt sind.

Eine Theorie der ominösen Teilchen entstand vor 86 Jahren

Im Dezember 1930 kam der österreichische Wissenschaftler und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli (*1900; † 1958) auf die Idee, dass ein bisher unbekanntes Elementarteilchen am Betazerfall beteiligt sein müsste, um das Verhalten der Teilchen während des Zerfalls vollständig erklären zu können. Viele glaubten ihm kein Wort, doch 55 Jahre nach Paulis Idee entdeckten Clyde Cowan und Frederick Reines durch das Cowan-Reines-Neutrinoexperiment das Neutrino, bestätigten damit Paulis Theorie und erhielten außerdem den Nobelpreis.

Seither bemühen sich viele Wissenschaftler, das Wesen der Neutrinos zu erforschen. Bisher haben sie herausgefunden, dass es drei Sorten von Neutrinos gibt, die mit den drei leicht geladenen Elementarteilchen Elektron, Myon und Tau verbunden sind. Neutrinos dieser drei Arten wandeln sich aber auch ständig durch die sogenannten Neutrinoozillationen ineinander um.

Björn Sönke Wonsak, Neutrinophysiker an der Universität Hamburg, erklärt: „Diese Ozillation ist gerade das spannende an den Neutrinos, da sie vom Standardmodell nicht vorhergesagt werden – durch diese Ozillation entstehen teilweise überraschende Effekte die zum Beispiel bei der Simulation von Supernovae berücksichtigt werden müssen (eine Supernova ist eine Explosion eines Sterns, die durch ein deutliches Aufleuchten auch über astronomisch große Distanzen klar sichtbar ist).“ Der Beweis dafür, dass Neutrinos nicht plötzlich verschwinden, sondern sich lediglich in eine andere Neutrinoart umwandeln brachten den Wissenschaftler Takaaki Kajita und Arthur McDonald im Jahr 2015 den Nobelpreis ein.
 
Mittlerweile versuchen die Neutrinowissenschaftler herauszufinden, welche Masse die Teilchen haben - Neutrinos können nicht einfach auf die Waage gelegt werden. Die Forschergruppe rund um das JUNO-Experiment versucht deswegen die Teilchen auszutricksen.

JUNO

Jiangmen Underground Netrino Oberservatory (JUNO) ist eine Kollaboration von mehreren hundert Physikern aus aller Welt. Wissenschaftler aus China, wo das Experiment angesiedelt ist, leiten das Experiment. Kernstück des Projektes ist ein 20 000 Tonnen schwerer Flüssigzintillations-Detektor, der in etwa eine Größe von 40 x 40 x 40 Metern haben wird – er wird so groß wie bisher kein anderer Detektor seiner Art. Er wird in 700 Meter Tiefe seinen Dienst aufnehmen.

Um die Neutrinos zu vermessen verwenden die Wissenschaftler ein Gerüst, das den gesamten Raum einnimmt und mit 18000 PMTs instrumentiert ist. Björn Wonsak erklärt:„PMTs sind sogenannte Photonenvervielfacher (engl. Photomutiplier tube), sie besitzen spezielle Elektronenröhren mit einem Durchmesser von rund 50 Zentimetern. Die PMTs detektieren die Lichtsignale, die von dem Szintillator im Detektor erzeugt werden, wenn die Neutrinos dort wechselwirken.“

Der besonders reine Szintillator sorgt dafür, dass besonders viel Licht die Detektoren erreichen kann, um gemeinsam mit den PMTs, welche besonders hohe Nachweiseffizienzen aufweisen, für eine außergewöhnlich gute Energieauflösung zu sorgen.

Die Neutrinos für JUNO werden in zwei Kernreaktorkomplexen erzeugt und gelangen dann in Richtung JUNO-Detektor. Während die Neutrinos den Detektor durchqueren und mit dem Szintillator wechselwirken, können die Wissenschaftler rund um JUNO feststellen, welche Energie sie haben und ob etwas fehlt. Da nur eine Neutrino-Art vom Reaktor ausgesandt wird, muss sich ein Neutrino also auf dem Weg umgewandelt haben, wenn eins einer anderen Art mit anderer Energie ankommt.

Die dank PMT-Energieauflösung genaue Information über die Energie soll den Physikern anhand bestimmter Muster im Energiespektrum der Neutrinos verraten, wie die Massen der einzelnen Arten sich voneinander unterscheiden – die Wissenschaftler versuchen die Massendifferenz zwischen den Neutrinosorten zu bestimmen. Dass sie unterschiedliche Massen haben, weiß man bereits; es fehlt aber noch die Information über die Vorzeichen der Massendifferenz. Björn Wonsak erklärt: „Durch die Bestimmung der Vorzeichen könnte man dann die Massenordnung der Neutrinos erfahren. Man wüsste also welches das leichteste Neutrino wäre, welches das zweit-leichteste und welches das Schwerste“.

Wir dürfen gespannt sein, 2020 soll der Detektor fertiggestellt werden und die ersten Daten nehmen.

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