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28.03.2017

Auf der Jagd nach b-Teilchen

Belle-Forscher Carlos Marinas: ein Portrait

Carlos Marinas

Carlos Marinas von der Uni Bonn arbeitet an einem hochpräzisen Teilchendetektor für ein Experiment in Japan. Bild: Belle II Collaboration

Eigentlich vermisst Carlos Marinas nur den guten Kaffee und die Sonne, ansonsten fühlt sich der Nordspanier in seiner neuen Heimat Bonn und an der Universität Bonn, wo er seit sechs Jahren forscht, ausgesprochen wohl. Carlos Marinas ist Teilchenjäger an einem Experiment, das sich gerade noch im Bau befindet. Am japanischen Forschungszentrum KEK wird nächstes Jahr ein runderneuerter Teilchenbeschleuniger mit einem massiv umgebauten Teilchendetektor in Betrieb gehen: Belle II am Beschleuniger SuperKEKB. Marinas hat während seiner Doktorarbeit herausgefunden, wie man die hochempfindlichen Teilchensensoren am besten kühlt, und sorgt jetzt dafür, dass die Forscher die neuen Komponenten des Detektors genau verstehen, damit sie perfekt funktionieren.

Belle II wird sich auf die Suche nach einem Unterschied zwischen Materie und Antimaterie machen. Dieser Unterschied könnte erklären, warum es im Universum fast nur noch Materie gibt, obwohl Materie und Antimaterie zu gleichen Mengen beim Urknall entstanden sein müssten. Mit dem neuen Detektor können die über 700 an Belle beteiligten Forscher aus 23 Ländern noch genauer solche Teilchen untersuchen, die sich aus b-Quarks zusammensetzen – diese Teilchen und ihre Wechselwirkungen sind die wahrscheinlichsten Kandidaten für den feinen Unterschied.

Damit Belle II die angestrebte Genauigkeit erreicht, braucht er ein neues Herz: den Vertex-Detektor, der unmittelbar an dem Punkt sitzt, an dem die Teilchen aufeinander prallen. Eine seiner Komponenten nutzt Sensoren, die in Deutschland entwickelt worden sind. Am Forschungszentrum DESY werden sie gründlich getestet, bevor sie nach Japan transportiert werden. Und genau hier sitzt Detektorexperte Marinas als Koordinator am Hebel der verschiedenen Tests und der späteren Inbetriebnahme des Vertexdetektors in Japan.

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Kulturschockprävention: Marinas nutzt die Forschungsaufenthalte in Japan auch dazu, die Kultur dort besser zu verstehen. Bild: privat.

Marinas stammt aus A Coruña in Galizien, hat seinen ersten Abschluss in Santiago de Compostela und seinen Doktor in Valencia gemacht. In die Teilchenphysik eingestiegen ist er während seiner Doktorarbeit, für die er bestimmte Teilchen-Sensoren für den Vertexdetektor des geplanten International Linear Collider (ILC) entwickelt hat. Genau diese Sensoren sind zwar noch nicht im bisher nicht genehmigten ILC im Einsatz, dafür aber bei Belle II. „Bei Forschung und Entwicklung weiß man eben nie, wo die Technologie einmal benutzt wird,“ sagt Marinas. „Teilchenphysiker arbeiten sehr eng zusammen und versuchen ständig zu optimieren. Die Sensoren erfüllen die Bedingungen, die Belle II stellt, also werden sie eben dort zuerst eingesetzt.“

Die andere Hälfte seiner Doktorandenzeit hat er damit verbracht, ein Kühlsystem für den empfindlichen zentralen Detektor von Belle II, den Pixeldetekor, zu entwickeln. Der Pixeldetektor hat in etwa die Größe einer Getränkedose, aber 8 Millionen Pixel, die 50 000 mal in der Sekunde ausgelesen werden und höchst präzise alle Teilchen aufzeichnen, die durch ihn hindurchfliegen. Hier galt es, den Teilchen so wenig Material wie möglich in den Weg zu stellen und trotzdem dafür zu sorgen, dass die Wärme, die die Pixel-Chips abgeben, abzutransportieren. „Da brauchten wir ein ausgeklügeltes System, weil auch der Detektor die Flugbahn der Teilchen verändert – ein herkömmliches Kühlsystem hätte wie ein Felsblock im Weg gestanden“, erzählt Marinas. Jetzt wird von zwei Seiten kalter Stickstoff auf die Chips geblasen, denn Gas stellt den Teilchen fast kein Material in den Weg. „Allerdings brauchen wir jetzt einen ziemlich großen Kühlschrank außerhalb des Detektors, um so eine kleine Dose zu kühlen“, sagt er grinsend.

Dass er Naturwissenschaftler werden würde, wusste er schon zu Schulzeiten: sein Lieblingsspielzeug war der Chemiebaukasten, und Quarks, Atome und das Weltall haben ihn schon immer fasziniert. Inzwischen ist der 38-Jährige seit sechs Jahren in Deutschland und bereitet sich auf längere Aufenthalte in Japan vor, wenn seine Detektorkomponenten Stück für Stück ihren Dienst aufnehmen. „Deutschland und meine Heimat Nordspanien sind gar nicht so unterschiedlich“, sagt er, „aber Japan ist tatsächlich eine ganz andere Kultur, in der ich erst einmal verstehen musste, wie man sich verhalten muss, um niemanden zu brüskieren.“ In Deutschland schätzt er den hohen gesellschaftlichen Stellenwert der Grundlagenforschung und Wissenschaft allgemein.

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