29.08.2018

Elektronen reiten Plasmawelle

AWAKE Beamline

Das Beschleunigungs-Exeriment AWAKE am CERN. BILD: CERN

Der internationalen „AWAKE“-Forschungsgruppe ist ein Durchbruch auf dem Weg zu einer neuen Art von Teilchenbeschleunigern gelungen: die Forscherinnen und Forscher haben zum ersten Mal Elektronen mit Hilfe einer Plasmawelle beschleunigt. Das ist ein wichtiger Schritt für das Experiment, das Teilchen mit wesentlich geringerem Aufwand als etwa der LHC und andere bisherige Teilchenbeschleuniger beschleunigen könnte. So könnten Physiker die Teilchen mit wesentlich höheren Energien miteinander kollidieren lassen als bislang – und mit den Spuren der Kollisionen neue Erkenntnisse zum Urknall und zum Aufbau der Materie gewinnen.

So leistungsstark die aktuellen Maschinen wie zum Beispiel der Large Hadron Collider (LHC) am CERN auch sind: Schon jetzt ist abzusehen, dass deutlich höhere Energien gebraucht werden, um offene Fragen in der Teilchenphysik zu beantworten: Gibt es Supersymmetrie, was ist die Dunkle Materie, welche Kraft steckt hinter der Dunklen Energie? Allerdings lassen sich die bisher verwendeten Technologien nur mit hohem Aufwand verbessern und ausbauen. Daher suchen Wissenschaftler nach Möglichkeiten, Teilchen auf alternativen, kostengünstigeren Weise zu beschleunigen. AWAKE wäre eine vielversprechende Technologie für Linearbeschleuniger, die Elektronen miteinander kollidieren.

„Unser Team verfolgt das Ziel, Elektronen mit Hilfe eines Plasmas auf einer relativ kurzen Distanz zu beschleunigen“, sagt Allen Caldwell, Direktor am Max-Planck-Institut für Physik (MPP) und Sprecher von AWAKE. „Wir gehen davon aus, dass wir in einem künftigen Plasmabeschleuniger nur etwa einen Meter brauchen, um Elektronen auf 1 Gigaelektronenvolt (GeV) zu bringen.“ Zum Vergleich: herkömmliche Linearbeschleuniger benötigen dafür 50 Meter.

Nach vierjähriger Entwicklungszeit vermelden die Wissenschaftler nun den Durchbruch: Am 25. Mai 2018 konnten sie erstmals beobachteten, wie sich mit AWAKE Elektronen beschleunigen ließen. Die Elektronen erreichten dabei eine Energie von 2 GeV. Das Ergebnis wurde heute im Fachjournal Nature veröffentlicht.

„Mit einem solchen Erfolg hatten wir erst gegen Ende des Jahres gerechnet“, freut sich Caldwell. „Mit der jetzt erzielten Energie haben sich unsere Erwartungen voll erfüllt. In dieser frühen Projektphase ging es zunächst darum zu überprüfen, inwieweit sich das Prinzip der Plasmabeschleunigung umsetzen lässt.“

AWAKE nutzt ein Plasma, eine gasförmige Mischung aus positiv geladenen Atomen und negativen Elektronen, das sich in einer etwa 10 Meter langen Kammer befindet, der Plasmazelle. In diese wird ein Protonenstrahl eingespritzt.

Auf ihrem Weg durchs Plasma ziehen die positiv geladenen Protonen die negativen Elektronen aus dem Plasma mit und produzieren eine Art Kielwelle. Speist man zusätzlich Elektronen ein, reiten diese auf der Welle und werden beschleunigt. Die Idee der Kielfeld-Beschleunigung (englisch: Plasma Wakefield Acceleration) ist allerdings nicht ganz neu; schon in den 1970er Jahren war sie als innovativer Ansatz im Gespräch. Die ersten Versuche verwendeten allerdings keine Protonen als „Wellengenerator“.

„Zunächst erzeugte man die Plasmawellen mit Elektronen oder einem Laser. Die erzeugten Wellen waren allerdings zu schwach für einen effektiven Teilchentransport über eine längere Distanz,“ erklärt Patric Muggli, AWAKE-Projektleiter am MPP. „AWAKE verwendet als erstes Experiment Protonen: Sie sind schwerer, können das Plasma tiefer durchdringen und damit andere Teilchen auf einer längeren Strecke mittragen. Das Ergebnis ist eine höhere Energie der mitsurfenden Teilchen.“

Die Verwendung eines Protonenstrahls ist auch der Grund, warum sich AWAKE am CERN befindet. Denn so können die Wissenschaftler energiereiche Protonen aus dem SPS-Ring, einem der LHC-Vorbeschleuniger verwenden.

Wie geht es nach diesem wichtigen Meilenstein weiter? Bis zum Ende des Jahres führen die Wissenschaftler Versuche mit dem bestehenden Aufbau durch. Danach folgt eine zweijährige Betriebspause des LHC und der anderen Beschleuniger am CERN. Diese Zeit nutzen die Wissenschaftler, um die Plasmazelle weiterzuentwickeln. Dabei hat das AWAKE-Team ein klares Ziel vor Augen. „Schon 2024 wollen wir zeigen, wie AWAKE für wissenschaftliche Projekte eingesetzt werden kann – zum Beispiel um die Feinstruktur von Protonen zu verstehen oder nach neuen, Teilchen wie den ‚dunklen Photonen‘ zu suchen, die als Kandidat für Dunkle Materie infrage kommen“, so Caldwell.

Pressemitteilung des Max-Planck-Instiututs für Physik

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