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28.08.2018

Neues vom Higgs: LHC-Experimente entdecken langgesuchten Zerfall des Higgs-Teilchens

Hbb ATLAS

Higgs-Zerfall im ATLAS-Detektor. BILD: CERN / ATLAS Collaboration

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der beiden großen Teilchenexperimente ATLAS und CMS am europäischen Teilchenforschungszentrum CERN bei Genf haben zum ersten Mal den Zerfall des Higgs-Teilchens in zwei sogenannte b-Quarks beobachtet. Das gaben sie am Dienstag in einem gemeinsamen Seminar bekannt. Laut Theorie zerfällt weit mehr als die Hälfte aller Higgs-Teilchen in diese beiden Quarks, allerdings ist es extrem schwierig, diesen Prozess aus den vielen anderen Dingen herauszufiltern, die bei den Kollisionen im weltgrößten Teilchenbeschleuniger LHC am CERN passieren. Das Ergebnis ist eine weitere Bestätigung der als Standardmodell bezeichneten Theorie, die alle Teilchen und Kräfte beschreibt, und ein weiterer Beweis, dass das Higgs-Teilchen tatsächlich allen Elementarteilchen ihre Masse verleiht. An der Suche waren Forscherinnen und Forscher aus Deutschland maßgeblich beteiligt.

Quarks sind die fundamentalen Bausteine aller Atomkerne. Es gibt sie in sechs Sorten. Die uns vertraute Materie besteht aus u- und d-Quarks, daneben gibt es s-, c-, b- und t-Quarks, die unter anderem in Teilchenbeschleunigern entstehen können. Das 2012 am LHC erstmals nachgewiesene Higgs-Teilchen bildete den letzten, fehlenden Schlussstein des Standardmodells. Mit der genauen Untersuchung der Eigenschaften des nach dem britischen Theoretiker Peter Higgs benannten Teilchens hoffen Physiker besser zu verstehen, wie es anderen Elementarteilchen ihre Masse verleiht.

„In den Teilchenkollisionen im LHC werden unzählige b-Quark-Paare durch alle möglichen Prozesse erzeugt. Das macht es so schwer, genau diejenigen herauszufiltern, an deren Entstehung ein Higgs-Teilchen beteiligt gewesen ist“, erklärt Kerstin Tackmann vom Hamburger Forschungszentrum DESY, die innerhalb der internationalen ATLAS-Forschungskollaboration die Higgs-Arbeitsgruppe leitet. „Um das Higgs-Signal im Vergleich zu den anderen Prozessen anzureichern, benutzen wir Signaturen wie die Produktion des Higgs-Teilchens zusammen mit Austauschteilchen der schwachen Wechselwirkung.“

Teilchenphysik ist Detektivarbeit, da die wenigsten Teilchen direkt aufgezeichnet werden, sondern nur anhand der verschiedenen Teilchen, in die sie zerfallen, identifiziert werden können. Hierbei hilft auch ein großer Datensatz: Der LHC hat im Laufe seiner Betriebszeit schon mehr Daten produziert als erwartet. Je mehr Daten die Forscher zur Verfügung haben, desto klarer wird ein Signal, das sonst im Rauschen untergehen könnte. Die Wissenschaftler wollen ganz genau wissen, wie Quarks und Higgs-Teilchen miteinander interagieren. Einerseits kann man so den Prozess, der Elementarteilchen Masse verleiht, besser verstehen. Anderseits könnte jede Anomalie im Verhalten der Teilchen, jede Abweichung von der zu Grunde liegenden Theorie, ein Hinweis auf etwas Neues und Unerwartetes sein.

Hbb CMS

Higgs-Zerfall im CMS-Detektor. Bild: CERN / CMS

„Wir haben endlich den am häufigsten vorkommenden Zerfall des Higgs-Teilchens zweifelsfrei entdeckt“, sagt DESY-Forscher Rainer Mankel, der in der CMS-Kollaboration die Arbeitsgruppe zum Higgs-Zerfall in zwei b-Quarks leitet. „Die Stärke seiner Wechselwirkung mit dem schwersten Quark, in das es überhaupt zerfallen kann, unterstützt eindrucksvoll die Theorie, der zufolge die Elementarteilchen ihre Masse durch die Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld erhalten.“ Seine DESY-Teamkollegen Adinda de Wit und Heiner Tholen haben für diese Messungen die CMS-Analyse an wichtigen Punkten verbessert. Erst die zahlreichen kleinen Optimierungen und die intensive Teamarbeit haben die Beobachtung dieses Zerfalls ermöglicht.

Zu Beginn des LHC-Betriebs war nicht klar, ob die beiden Großdetektoren CMS und ATLAS diese Messungen überhaupt machen können, aber sowohl der Teilchenbeschleuniger als auch die Detektoren übertreffen regelmäßig die Erwartungen an ihre Leistungsfähigkeit, und die Analysetechniken wurden entscheidend weiterentwickelt, zum Beispiel mit komplexen Algorithmen, die auf maschinellem Lernen basieren. Es ist auch ein Erfolg der Forschungsgruppen von deutschen Universitäten, die zum Beispiel beim Bau und Betrieb von Präzisions-Detektorbauteilen federführend waren.

In den kommenden Jahren werden sowohl Detektoren als auch Beschleuniger umgebaut, um ab 2026 die Teilchenkollisionsrate auf ein Rekordniveau von über fünf Milliarden Proton-Proton-Kollisionen pro Sekunde zu erhöhen. Mit der deutlich höheren Kollisionsrate und den neuen Detektoren kann die Präzision der Messungen in Zukunft deutlich verbessert werden.

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