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09.05.2019

Schwertransporte und Millimeterarbeit: Hochbetrieb während der Betriebspause

CMS

Staunen erlaubt: in der zweijährigen Betriebspause wurde auch der CMS-Detektor wieder geöffnet. Besucher dürfen auch hinunter! Bild: CERN

Am CERN krachen zwar gerade keine Teilchen aufeinander, weil die Teilchenbeschleuniger und die Detektoren sich in einer zwei Jahre dauernden Betriebspause befinden. Aber es geht dort trotzdem alles andere als ruhig zu. Wir erzählen, warum es diese Pause gibt, geben einen Überblick über die Arbeiten die schon erledigt sind und die, die noch anstehen, und haben außerdem einen heißen Tipp ...

Warum ist denn eigentlich Betriebspause?

Der zweite lange Shutdown (am CERN nur „LS2“ genannt) ist schon lange im Zeitplan des Teilchenbeschleunigers LHC eingeplant gewesen. Einerseits müssen Bauteile an Beschleunigern und Detektoren ohnehin regelmäßig gewartet und sogar ersetzt werden, was in diesen Monaten passiert. Andererseits soll der LHC in etwa sechs Jahren noch viel mehr Leistung bringen als jetzt schon. Für diese Phase müssen Beschleuniger und Detektoren vorbereitet werden. Bis etwa 2035 soll die Datenmenge um das Zehnfache anwachsen.

Warum dauert sie zwei Jahre?

Leider kann ein supraleitender Teilchenbeschleuniger nicht mal eben angehalten, aufgebockt und neu verschraubt werden. Die Magneten sind auf -271 Grad heruntergekühlt. Für größere Eingriffe muss man sie auf Zimmertemperatur erwärmen. Dieser Vorgang allein dauert mehrere Wochen, weil es sehr vorsichtig passieren muss, damit beim Aufwärmprozess keine Schäden an den Magneten und Magnetverbindungen entstehen. Das Herunterkühlen nach den Arbeiten nimmt ebenfalls so viel Zeit in Anspruch. Um also einen so effektiven und einen effizienten Forschungsbetrieb wie möglich zu gewährleisten, hebt man größere Eingriffe für die langen Betriebspausen auf. In den Tunneln und Detektorkavernen ist also gerade sehr viel los.

Heißt das die Forscher drehen jetzt Däumchen?

Im Gegenteil. Wer nicht an den Umbau- und Wartungsarbeiten am Detektor beschäftigt ist, beschäftigt sich mit den über die letzten Jahre gesammelten Daten und sucht nach bekannten oder unbekannten Phänomenen in der Datenflut. Außerdem bereiten sie schon die nächste lange Betriebspause – LS3 – vor, während der bei ATLAS und CMS komplette Detektorkomponenten ersetzt werden. Hier spielen deutsche Labore und Institute eine sehr wichtige Rolle.

Was passiert bei den Teilchendetektoren?

Die vier großen Detektoren des LHC (ALICE, ATLAS; CMS und LHCb) wurden vor zehn Jahren in Betrieb genommen und können an einigen Stellen Upgrades vertragen – sei es, weil die Lebensdauer einiger Komponenten erreicht ist, weil inzwischen neuere, bessere Technologien zur Verfügung stehen oder zur Vorbereitung auf die Ausbaustufe des LHC. Meist ist es eine Kombination aus allen drei Möglichkeiten.
Am meisten los ist bei den Experimenten ALICE und LHCb. Nach dem Ende der Betriebspause wird der LHCb-Detektor kaum wiederzuerkennen sein. Viele seiner Detektorsysteme werden durch neue, leistungsfähigere Komponenten ersetzt, so dass er der höheren Datenrate, die mit dem Upgrade des LHC kommt, gewachsen ist und interessante Ereignisse noch besser aus dem Datenwust herausfiltern kann.
Auch ALICE wird am „Herzen“ operiert und bekommt während der Betriebspause ein neues Spurdetektorsystem, das es den Forschern ermöglicht, Teilchenspuren noch genauer zu verfolgen. Dafür wurden die tonnenschweren Türen des ALICE-Magneten geöffnet und ganze Detektorkomponenten an die Oberfläche gehievt. Die gesamte Betriebspause ist ein faszinierender Kontrast aus schwerer Ingenieurskunst und hochpräziser, hochempfindlicher Vorzeigephysik.

new small wheels

Die Trägerstruktur der "neuen kleinen Räder" von ATLAS steht bereit. Bild: CERN

Bei ATLAS sind die Kavernenschächte weit aufgefahren und die sogenannten „small wheels“ (mit fast zehn Metern Durchmesser eigentlich alles andere als klein und Teil des äußeren Myonen-Systems) wurden bereits an die Oberfläche geschafft. Nächstes Jahr werden sie durch „new small wheels“ ersetzt, die leistungsfähiger und genauer als die alten sind und ATLAS sensitiver für Myonen als Indikator für bestimmte Ereignisse machen. Die Komponenten für die „kleinen Räder“ werden in aller Welt gebaut und kommen am CERN zusammen. „Eine der größten Leistungen, die mich immer wieder in Staunen versetzen, ist, wie so viele Aktivitäten aus so vielen Ländern sich dann am CERN so nahtlos zusammenfügen“, sagt Stephanie Zimmermann von der Uni Freiburg, die das „New Small Wheel“-Projekt leitet.
Auch die CMS-Kollaboration hat den Detektor geöffnet und fast vierzig Module an den äußeren Enden des Detektors entfernt, um sie zu überholen und die Infrastruktur für Ersatzmodule einzubauen. Auch das Strahlrohr, das im Herzen des Detektor die Teilchen befördert, wird durch ein neues ersetzt, das sich bereits jetzt an die Form anpasst, die der Detektor nach den nächsten Shutdown haben wird. Und der Detektor, der sich als erste von vielen Lagen um das Strahlrohr schmiegt, wurde ebenfalls ausgebaut und in einem Reinraum eingelagert.

Und was ist jetzt der heiße Tipp??

Wenn die Beschleuniger still stehen, gibt es für Besucher wieder mehr zu sehen. Wer also schon immer mal einen echten Teilchendetektor 100 Meter unter der Erde sehen wollte, sollte einen Trip nach Genf einplanen und sich für einen der begehrten Besuche anmelden. Mehr Informationen gibt es hier: https://visit.cern

Außerdem finden am 14. und 15. September zwei Tage der offenen Tür am CERN statt. Forschungsanlagen, Labore, die multikulturelle Atmosphäre, Forschungsvergangenheit und -zukunft werden dort eine Rolle spielen. Genau wie die Besucherführungen sind auch die Tage der offenen Tür umsonst. Das Programm steht noch nicht fest, aber vorläufige Informationen findet man auf dieser CERN-Seite.


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