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21.04.2011

Was ist eigentlich Luminosität?

Antwort

Zunächst muss man wissen, dass Teilchenphysiker zwei Größen benutzen, die Luminosität genannt werden (und nicht unbedingt immer ganz genau sagen, welche Größe sie nun gerade meinen): die „Luminosität“ und die „integrierte Luminosität“. Diese beiden Größen sind wie die Energie ein wichtiges Merkmal für die Leistungsfähigkeit eines Teilchenbeschleunigers.

Zunächst einmal zur „einfachen“ Luminosität

Luminosität beschreibt die Anzahl der Teilchenbegegnungen pro Zeit und Fläche. Also: je mehr Begegnungen zum Beispiel pro Sekunde auf einem Quadratzentimeter stattfinden, desto größer die Luminosität. Und je größer die Luminosität, desto leistungsfähiger der Teilchenbeschleuniger – denn er liefert mehr Kollisionen, von denen wir Physiker möglichst viele brauchen, um Entdeckungen machen zu können.

Man kann sich Kinder vorstellen, die sich in einem Flur gegenüber sitzen und mit kleinen Murmeln spielen. Bei zwei Kindern ist die Chance, dass sich zwei Murmeln in der Mitte treffen sehr klein. Die Luminosität ist klein. Wenn viele Kinder auf beiden Seiten Murmeln rollen, steigt die Luminosität an. Die Anzahl der Kollisionen ist mit der Luminosität über den so genannten Wirkungsquerschnitt verbunden. Kleine Murmeln haben einen kleinen Wirkungsquerschnitt. Ersetzen die Kinder ihre Murmeln durch Basketbälle, bleibt die Luminosität zwar gleich, aber die Anzahl der Kollisionen steigt, weil auch der Wirkungsquerschnitt angestiegen ist. Die Basketbälle sind viel größer.

Bei den Protonen im LHC ist die Größe der Teilchen fest. Um die Luminosität hier zu erhöhen, gibt es verschiedene Wege: Man kann die Teilchen häufiger miteinander kollidieren lassen oder die Anzahl von Teilchen in den Teilchenpaketen erhöhen, die aufeinander geschossen werden. Außerdem versucht man die Teilchen in den Paketen so dicht wie möglich zusammenzupressen und so die Fläche, auf der die Kollisionen stattfinden, möglichst klein zu halten.

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Einschub für Fortgeschrittene: Als Formel kann man die Luminosität L so beschreiben.

Beim LHC soll eine Luminosität von 1034 pro Quadratzentimeter und Sekunde (1034 /(cm2 · sec)) erreicht werden. Das heißt in einer Sekunde würden auf einem Quadratzentimeter unvorstellbare 1034 Kollisionen stattfinden – das ist eine 1 mit 34 Nullen! Die Zahl der wirklich interessanten harten Proton-Proton Kollisionen mit etwa 20 pro Strahlkreuzung allerdings sehr viel kleiner. Im Jahr 2010 hat der LHC eine Luminosität von 1032 pro Quadratzentimenter und Sekunde erreicht und damit einen wichtigen Meilenstein erreicht.

Nun zur integrierten Luminosität

Die integrierte Luminosität ist ein Maß dafür, wie viele Kollisionen insgesamt stattgefunden haben, sie gibt also die in einem bestimmten Zeitraum gesammelte Luminosität an. Man erhält sie, indem man alle einzelnen Luminositäten aus dem betrachteten Zeitraum zusammenzählt (integriert).

Bis zum Ende des Jahres 2010 hat der LHC eine integrierte Luminosität von etwa 45 inversen Picobarn pro Experiment geliefert. Was sind inverse Picobarn? Das ist die Größe, die die Wissenschaftler verwenden, um die Kollisions- oder anders gesagt die Datenmenge, also die integrierte Luminosität, zu beschreiben. Wir reden auch von inversen Femto- oder Nanobarn. Statt 45 inversen Picobarn könnte man auch sagen: Es haben 45 mal 1036 Kollisionen auf einer Fläche von einem Quadratzentimeter stattgefunden.

Woher kommt die Einheit „barn“ (engl. Scheune)? Ursprünglich kommt der Begriff aus der Kernphysik und beschreibt den oben erwähnten Wirkungsquerschnitt: 1 barn ist ein Quadrillionstel (10-24-stel) eines Quadratzentimeters. Das ist natürlich weit weg von der Größe einer Scheune. Für Kernphysiker, die ja auch die kleinsten Bausteine untersuchen, aber verhältnismäßig groß und außerdem eine typische Größe bei Kollisionen von Atomkernen. Damit hatte sie sich einen eigenen Namen verdient.

Bis Ende 2011 soll der LHC ein inverses Femtobarn an Daten geliefert haben. Ein inverses Femtobarn entspricht 1039 Kollisionen auf einem Quadratzentimeter. Hoffentlich ist damit die Entdeckung von neuen, heute noch unbekannten Elementarteilchen und Phänomenen möglich.

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Oliver Pooth ist Privatdozent an der RWTH Aachen und Mitglied der CMS Kollaboration. Er arbeitet dort mit seiner Arbeitsgruppe in den Bereichen des CMS-Siliziumspurdetektors und der Physik des Top-Quarks.

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