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18.10.2016

Susanne Kühn baut neue Detektoren, um Teilchen noch besser jagen zu können

ATLAS-Forscherin Susanne Kühn: Ein Portrait

Susanne Kühn Reinraum Uni Freiburg

Susanne Kühn im Reinraum der Universität Freiburg, wo neue Siliziumsensoren getestet werden. Foto: Katrin Albaum, Universität Freiburg

Physikerin Susanne Kühn hat immer mehr als nur ein Projekt am Haken. Während sie gerade habilitiert, also die wissenschaftliche Arbeit schreibt, mit der sie Universitätsprofessorin werden kann, entwickelt sie im Team eine neue Detektorkomponente für den Teilchendetektor ATLAS, lehrt an der Uni Freiburg, plant schon die nächste Detektorkomponente in einem neuen Projekt, organisiert wissenschaftliche Meetings, kümmert sich um den Physikernachwuchs und steigt ab und zu mal auf einen Berg, um wieder Abstand und Übersicht zu gewinnen. Dabei bleibt Kühn fröhlich, ruhig und überlegt. Für sie ist das nichts besonderes: der Großteil der Teilchenphysiker jongliert mit mehreren Projekten, Lehre, Forschung, Vorträgen und Privatleben. Susanne Kühn ist also eine typische Teilchenjägerin.

Ihr Hauptprojekt besteht im Moment darin, den ATLAS-Detektor für die Zukunft aufzurüsten. Mit dem geplanten Umbau des Large Hadron Collider kommen auf die Teilchendetektoren bisher unerreichte Teilchendichten (oder Intensität an Teilchen) zu. Sie müssen für den sogenannten High-Luminositäts LHC aufrüsten, um wie jetzt alle interessanten Kollisionen und die daraus entstehenden Teilchen aufzuzeichnen, zu vermessen und zu verstehen. Eins der zu erneuernden Subsysteme ist der Silizium-Streifen-Detektor für ATLAS, der dicht am Kollisionspunkt sitzt und deshalb sowohl äußerst leistungsfähig als auch ziemlich robust sein muss.

Susanne Kühn arbeitet an einem Testmodul für diesen neuen Detektor, beteiligt sich am Bau und koordiniert die Tests der Modulstrukturen, aus denen sich der zukünftige Detektor zusammensetzen wird. Dafür müssen viele Entscheidungen getroffen werden, für die im Vorfeld eine Vielzahl von möglichen Kombinationen und Konfigurationen getestet wird. „Wir suchen nach der besten Kombination von Siliziumsensoren und Ausleseelektronik, bauen und testen Module im Labor und prüfen auch im Teststrahl, wie sie sich verhalten“, erzählt Kühn. „Was für Effekte treten auf, was können wir noch verändern? Das Problem ist oft, dass viele Parameter beachtet und überprüft werden müssen .“ Für das Projekt war das Team schon dreimal am Forschungszentrum DESY und einmal am CERN, um dort im Teilchenbeschleuniger die Module zu untersuchen. „Wir wissen, dass das Konzept funktioniert und haben jetzt anhand eines kleinen Prototypmoduls entschieden, welche Ausleseart am besten ist.“ Das endgültige Produkt muss 2026 in den ATLAS-Detektor eingebaut sein.

So geradlinig Kühns Laufbahn in der Teilchenphysik auch aussieht (Studium Promotion, Postdoc und jetzt Habilitation an der Universität Freiburg), vorgezeichnet war diese Karriere nicht. Als Lehrerkind hatte sie zwar schon immer den Drang, Dinge zu untersuchen und bauen, und hatte meist naturwissenschaftliche Geschenke unterm Tannenbaum. Aber nach dem Abitur hätte sie beinahe Philosophie studiert: „Die Fächer sind sich im Grunde sehr ähnlich. Sowohl Physik als auch Philosophie versuchen zu verstehen woher die Dinge kommen“, erklärt Kühn. „Aber am Ende kamen mir Formeln doch handfester vor, deswegen habe ich mich für Physik entschieden.“

Susanne Kühn Berge

Susanne Kühn liebt die Berge. Sie helfen ihr, den Kopf frei zu bekommen und neue Ideen zu entwickeln. Hier ist sie gerade auf dem Marmolata in Südtirol unterwegs.

Ein Auslandssemester in Norwegen und ein Sommer als Sommerstudentin am CERN haben dann dafür gesorgt, dass sie aus der Menge der Themen in der Physik bei den Teilchen gelandet ist und an der Uni Freiburg ihre erste wissenschaftliche Heimat gefunden hat. Zum Ende des Jahres wechselt die Forscherin allerdings zum CERN, um dort vor Ort als CERN-Mitarbeiterin das Silizium-Pixelprojekt für den ATLAS-Detektor in Angriff zu nehmen. Gleichzeitig will sie noch ihre Lehrverpflichtungen und die Habilitation in Freiburg abschließen

Um Abstand von Teilchen, Silizium und Meetings zu bekommen hat Kühn eine eigene Strategie entwickelt: sie geht in die Berge. Ob auf dem Fahrrad, dem Snowboard, auf Skiern oder einfach zu Fuß: Schwäbische Alb, Alpen oder Himalaya geben ihr einen klaren Kopf. „Wenn man die Welt von oben sieht kommen neue Ideen“, sagt sie und versichert schnell, dass sie zur Abwechslung aber auch gern ins Theater geht. Sie ist selbst auch oft als Rollenmodell unterwegs: in Vorträgen, auf Ausstellungen und während öffentlicher Veranstaltungen versucht sie, ihre Fach Jugendlichen näher zu bringen und Mädchen ein Vorbild zu sein. „Ich will verstehen, wie die Welt funktioniert. Das treibt mich an“, sagt die 35-jährige. „Dazu schlage ich mir gern auch mal die Nächte um die Ohren, um zusammen mit anderen Menschen etwas zu entwickeln und Dinge herauszufinden.“

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