06.05.2009

Illuminati (Angels & Demons): Alles über Antimaterie

In Kinos auf der ganzen Welt kämpft Tom Hanks als Robert Langdon gegen den Geheimbund „Illuminati“, der mit einer Antimaterie-Bombe den Vatikan zerstören will. Die Antimaterie wurde vom CERN gestohlen – aber ginge das wirklich? Gibt es Antimaterie? Was kann man damit machen? Was aus Dan Browns neu verfilmten Buch „Illuminati“ ist Fakt, was ist Fiktion? Erfahren Sie mehr über die Wissenschaft hinter dem Film....

Fakt: CERN gibt es wirklich


CERN liegt zum Teil in der Schweiz in Meyrin, einem Vorort von Genf, zum Teil auf der anderen Seite der Grenze in Frankreich. Das Forschungszentrum ist nicht weit entfernt vom Genfer Flughafen. CERN ist kein schweizerisches Forschungsinstitut, sondern eine internationale Organisation. Der Name CERN leitet sich her/ab vom französischen „Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire“, dem „Europäischen Rat für Kernforschung“.

Fiktion: Gebäude aus roten Ziegeln und Wissenschaftler in weißen Kitteln und mit Aktenordnern unter dem Arm


Die Vorstellung, dass CERN wie ein englisches College oder eine amerikanische Eliteuniversität aussieht, hat wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Die Mehrzahl der CERN-Gebäude ist weiß und aus Beton, und die Wissenschaftler tragen normale Alltagskleidung und laufen selten mit Akten unter dem Arm herum.

Fakt: Antimaterie gibt es wirklich


Ja, es gibt sie wirklich, und am CERN wird sie routinemäßig erzeugt. Antimaterie hatte Paul Dirac bereits 1928 in seiner Theorie der Quantenmechanik vorhergesagt; kurz darauf entdeckte Carl Anderson die ersten Antiteilchen. CERN ist aber nicht das einzige Forschungsinstitut der Welt, in dem Antimaterie erzeugt und untersucht wird.

Antimaterie kann man allerdings nur unter größten Schwierigkeiten aufbewahren, da Antimaterie und Materie einander sofort vernichten, wenn sie miteinander in Berührung kommen.

Elektrisch geladene Antiteilchen können in „elektromagnetische Flaschen” eingeschlossen werden. Diese Flaschen können bis zu 1012 (Anti-) Teilchen mit gleicher elektrischer Ladung enthalten. Allerdings stoßen sich Teilchen mit gleicher Ladung ab. Deshalb ist es nicht möglich, beispielsweise eine größere Menge Antiprotonen in eine solche Flasche zu füllen, da die Abstoßungskraft zwischen ihnen stärker ist als die elektromagnetischen Felder, die sie von den Flaschenwänden fernhalten.

Bei elektrisch neutralen Antiteilchen oder Anti-Atomen ist die Aufbewahrung noch schwieriger. Es ist nicht möglich, neutrale Antimaterie mit Hilfe von konstanten elektrischen oder magnetischen Feldern zusammenzuhalten, da diese Felder keine Wirkung auf die Teilchen haben. Wissenschaftler arbeiten an der Nutzung von „magnetischen Flaschen“ (mit inhomogenen magnetischen Feldern, die auf das magnetische Moment wirken) oder „optischen Fallen“ (mit Lasern), aber diese befinden sich noch in der Entwicklungsphase.

Antielektronen, auch Positronen genannt, werden schon heute in Positron-Emissions-Tomographen (PET-Scannern) in der medizinischen Diagnostik eingesetzt. Eines Tages wird es vielleicht möglich sein, Antiprotonen zur Bestrahlung von Tumoren einzusetzen.
Am CERN wird Antimaterie jedoch hauptsächlich zur Untersuchung von fundamentalen Naturgesetzen verwendet. Der LHCb-Detektor am LHC wird die Zerfälle von schweren b-Quarks und Anti-b-Quarks im Detail analysieren. Darüber hinaus hofft man, eines Tages Präzisionsmessungen an Antiwasserstoffatomen vornehmen zu können.

Fakt: Es gibt Antimaterie-Atome


Das Team vom PS210-Experiment am Low Energy Antiproton Ring (LEAR) am CERN erzeugte 1995 die ersten Anti-Wasserstoffatome. Im Jahr 2002 wurden in zwei Experimenten (ATHENA und ATRAP) Zehntausende von Antimaterie-Atomen produziert, danach sogar Millionen. Obwohl „Zehntausende” nach ziemlich viel klingt, ist es dennoch eine sehr kleine Menge. Man müsste eine 10 000 000n000 000 000-fache Menge haben, um genügend Anti-Wasserstoffgas für die Füllung eines Luftballons zu bekommen. Wenn es die Möglichkeit gäbe, die täglich produzierte Menge zu speichern, bräuchten wir mehrere Milliarden Jahre, um den Ballon zu füllen. Das Universum existiert aber erst seit 13,7 Milliarden Jahren… Deshalb ist es zwar ein Fakt, dass Antimaterie-Atome existieren, das Szenario von Illuminati, dass genug davon vorhanden ist, um Menschen und Städte zu zerstören, ist allerdings Fiktion.
  

Fiktion: Antimaterie als Energiequelle der Zukunft


Antimaterie als Energiequelle einzusetzen, ist grundsätzlich unmöglich. Anders als bei Sonnenenergie, Kohle oder Erdöl gibt es keine natürlichen Vorkommen von Antimaterie; jedes einzelne Antiteilchen müsste künstlich erzeugt werden. Dafür müsste ein Vielfaches der Energie aufgewendet werden, die bei der Annihilation von Antimaterie und Materie als Energie zurückgewonnen werden kann.

Man kann sich Antimaterie als einen vorübergehenden Energiespeicher vorstellen, ähnlich wie elektrische Energie in einer wiederaufladbaren Batterie. Die Aufladung der Batterie ist umkehrbar, unter vergleichsweise geringen Verlusten. Das Aufladen der Batterie verbraucht aber in jedem Fall mehr Energie, als man daraus zurückgewinnen kann.

Die Produktion von Antimaterie ist extrem ineffizient: Es wird lediglich ein Zehntel von einem Milliardstel (10-10) der eingesetzten Energie zurückgewonnen. Die Erzeugung von Antimaterie ist nur für das Verständnis des Universums, also für die Wissenschaft, von Nutzen. Wenn die Menge Antimaterie, die jemals am CERN erzeugt wurde, mit Materie zur Annihilation gebracht werden könnte, ergäbe dies gerade genügend Energie, um eine Glühlampe für einige Minuten zum Leuchten zu bringen.

Antimaterie wäre nur dann eine brauchbare Energiequelle, wenn man irgendwo (z.B. in einer fernen Galaxie) eine große Menge Antimaterie finden würde, in etwa so wie Öl- und Sauerstoffvorräte auf der Erde. Aber so weit wir ins All blicken können – Milliarden Lichtjahre weit –, besteht das Universum nur aus normaler Materie. Antimaterie müsste erst mühsam erzeugt werden.

Offenbar wird die Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie nicht bei sehr hohen Energien beibehalten, wie kurz nach dem Urknall, denn sonst müsste es genau so viel Materie wie Antimaterie im Universum geben. Zukünftige Forschung könnte uns Aufschluss darüber geben, wie es zu dieser Asymmetrie gekommen ist.

Fiktion: Man kann Antimaterie-Bomben herstellen


Antimaterie-Bomben können nicht hergestellt werden. Man bräuchte Milliarden Jahre, um genügend Antimaterie für eine Bombe zu bekommen, die die gleiche Zerstörungskraft hätte wie eine „herkömmliche” Wasserstoffbombe, von denen wir schon mehr als Zehntausend haben.

Interessant ist hier, dass die Wissenschaftler schon früh die Möglichkeit zur Herstellung einer Atombombe erkannt hatten, viele Jahre bevor sie tatsächlich gebaut und eingesetzt wurde. Damals waren die Menschen völlig überrascht. Heutzutage rechnen viele mit der Erfindung einer Antimaterie-Bombe, aber wir wissen seit langem, das das in der Praxis nicht machbar ist.

Fakt und Fiktion: Am CERN wird Antimaterie hergestellt, so wie im Buch beschrieben


Für die Herstellung von Antiprotonen prallen Protonen bei nahezu Lichtgeschwindigkeit (genauer gesagt, mit einer kinetischen Energie von ca. 25 GeV, 25 Milliarden Elektronenvolt) auf einen Metallblock, der z.B. aus Kupfer oder Wolfram besteht. Aus diesen Kollisionen geht eine große Menge Teilchen hervor, davon sind einige Antiprotonen. Nur diese sind brauchbar, und auch nur, wenn sie in die richtige Richtung fliegen. Das ist als ob man einen einzelnen Blumentopf mit einem Rasensprenger gießen würde, der den ganzen Garten beregnet. Wir versuchen natürlich mit immer neuen Tricks die Ausbeute von Antiteilchen effizienter zu machen, aber auf der Elementarteilchenebene ist das extrem schwierig.

Fakt: Es gibt den LHC


Der LHC ist ein Beschleunigerring mit einem Umfang von 27 Kilometern, der sich in einem Tunnel in 100 Metern Tiefe befindet. Der LHC wurde allerdings nicht zur Herstellung von Antimaterie gebaut, sondern zur Erzeugung einer genügend hohen Energiedichte, um Prozesse zu erforschen, die uns bei der Lösung der größten Rätsel der Physik helfen werden.Es handelt sich hier nicht um große Energiemengen, sondern um eine ungeheure Energiedichte auf kleinstem Raum. Jedes im LHC beschleunigte Teilchen hat dabei die Energie einer Mücke im Flug. Das ist rein rechnerisch nicht viel, aber die Energie wird auf einen winzigen Punkt verdichtet, vergleichbar dem Zustand, der ganz kurz (etwa eine dreimilliardstel Sekunde) nach dem Urknall geherrscht hat.

Die Konzentration der Energie auf einen winzigen Punkt kann man mit dem folgenden Beispiel vergleichen: Ein großer Mann in normalen Schuhen und eine kleine Frau in Stöckelschuhen laufen über denselben Holzfußboden. Der Mann wird keine Abdrücke hinterlassen, die Frau dagegen – obwohl leichter – hinterlässt Abdrücke, da der durch die spitzen Absätze ausgeübte Druck viel höher ist. So funktioniert auch der LHC: wenig Energie wird auf einen winzigen Punkt konzentriert, um eine hohe Energiedichte zu erzeugen und damit den Urknall zu erforschen.
Antimaterie dient am CERN in erster Linie zur Erforschung der Naturgesetze. Die aktuellen physikalischen Theorien beinhalten eine Reihe von Aussagen über Antimaterie. Wenn diese Vorhersagen jedoch durch Experimente nicht bestätigt werden, müssen die Theorien entweder modifiziert oder überarbeitet werden. So funktioniert wissenschaftlicher Fortschritt.

Antimaterie wird auch benötigt für die Kollisionen von Materie- und Antimaterieteilchen. Beim Aufeinandertreffen vernichten sie sich gegenseitig und erzeugen die extrem hohe Energiedichte, aus der dann weitere interessante Teilchen hervorgehen könnten. So funktionierte bis zum Jahr 2000 auch der Large Electron Positron Collider (LEP) und so läuft der Tevatron am Fermilab bei Chicago noch heute.

Fakt: Antimaterie ist sicher


Antimaterie ist absolut sicher angesichts der geringen Mengen, die produziert werden können. Die Menge von einigen Gramm wäre sehr gefährlich, aber für deren Herstellung bräuchte man Milliarden Jahre.

Fakt und Fiktion: Ein Gramm Antimaterie besitzt die Energie einer 20-Kilotonnen-Atombombe


Die Sprengkraft der Atombombe, die Hiroshima zerstörte, entsprach 20 Kilotonnen TNT. Die Sprengkraft einer Kilotonne (= 1000 Tonnen) TNT entspricht einer Energiefreisetzung von 4,2x1012 Joule (1012 ist eine 1 mit 12 Nullen, also 1 Million mal 1 Million, die Abkürzung der Energieeinheit Joule lautet J) Zum Vergleich: eine 60 Watt Glühlampe verbraucht 60 Joule pro Sekunde (J/s).

Wie viel Energie wird freigesetzt, wenn sich 1 Gramm Materie und 1 Gramm Antimaterie gegenseitig vernichten? Das kann man wie folgt berechnen:
Zur Bestimmung der freigesetzten Energiemenge bei der Vernichtung von 1 Gramm Antimaterie und 1 Gramm Materie (2g = 0,002 kg) benötigt man die berühmte Formel von Einstein E=mc2, wobei c die Lichtgeschwindigkeit ist (300.000.000 m/s):
E= 0,002 x (300.000.000)2 kg m2/s2 = 1,8 x 1014 J = 180 x 1012 J. Da 4,2x1012 J einer Kilotonne TNT entsprechen, sind 2 Gramm Materie-Antimaterie-Vernichtung 180/4,2 = 42,8 Kilotonnen, etwa doppelt so viel wie 20 Kilotonnen TNT.

Das heißt, es wird nur ein halbes Gramm Antimaterie benötigt um die gleiche Zerstörungskraft zu erreichen wie die der Hiroshima-Bombe. Das halbe Gramm (normale) Materie ist leicht zu bekommen.

Am CERN werden Mengen von etwa 107 (10 Millionen) Antiprotonen pro Sekunde produziert. In einem Gramm Antiwasserstoff sind 6x1023 Antiprotonen. Wie lange es braucht, um ein Gramm herzustellen lässt sich leicht ausrechnen: man bräuchte 6x1023/107=6x1016 Sekunden. Ein Jahr hat 365 (Tage) x 24 (Std.) x 60 (Min.) x 60 (Sek.) = rund 3x107 Sekunden, d.h. es dauert etwa 6x1016 / 3x107 = 2x109 = 2 Milliarden Jahre! Kaum vorstellbar, dass jemand so lange wartet. CERN ist gerade 55 Jahre alt.

Fakt: Das Web wurde am CERN erfunden


Das World Wide Web ist im CERN entstanden, erfunden im März 1989 von Tim Berners-Lee. Mehr

Fiktion: CERN besitzt ein X-33 Raumflugzeug


Nein. „Leider“, sagt das CERN.

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