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17.08.2012

Zurück zum Urknall

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Kollision von Blei-Ionen, aufgezeichnet von ALICE 2011.
Foto:CERN

Der LHC fahndet nicht nur nach neuen Elementarteilchen wie dem Higgs-Boson. Zu den vielfältigen Aufgaben der "Weltmaschine" gehört auch die Untersuchung der ultraheißen Ursuppe des Universums, des sogenannten Quark-Gluon-Plasmas. Dazu schießen die LHC-Physiker jedes Jahr für ein paar Wochen Blei- statt Wasserstoff-Atomkerne aufeinander - und kommen damit dem Urknall so nahe wie nie zuvor. Auf der diesjährigen "Quark Matter"-Konferenz QM12 stellten die Forscher in dieser Woche in der US-Hauptstadt Washington ihre jüngsten Ergebnisse aus diesen Versuchen vor.

Quarks und Gluonen sind die Grundbausteine aller Materie. Unter normalen Umständen sind sie jedoch niemals alleine anzutreffen, sondern stets zu mehreren in den Atomkernteilchen Neutronen und Protonen gebunden. Man nimmt aber an, dass dies direkt nach dem Urknall anders war: Für einen kurzen Moment nach der Geburt des Universums bewegten sich Quarks und Gluonen frei durcheinander und formten dabei einen exotischen Materiezustand, das Quark-Gluon-Plasma.

Mit dem LHC lässt sich diese kosmische Ursuppe für kurze Momente nachkochen, indem schwere Atomkerne mit vielen Quarks und Gluonen bei hoher Energie aufeinander geschossen werden. Das Quark-Gluon-Plasma im stärksten Teilchenbeschleuniger der Welt ist 100.000 Mal heißer als das Innere der Sonne und dichter als ein Neutronenstern. Zwar verflüchtigt sich die nachgekochte Ursuppe fast sofort wieder. Mit der milliardenfachen Wiederholung dieses Experiments können Physiker jedoch beginnen, Eigenschaften dieses exotischen Materiezustands zu untersuchen.

Auf der Konferenz in Washington stellten die Wissenschaftler der LHC-Detektoren ALICE, ATLAS und CMS nun erste Analysen der Blei-Kollisionen aus den letzten vier Wochen des Jahres 2011 vor. So hat etwa ALICE Indizien für eine sogenannte Thermalisierung entdeckt, also für die Entstehung eines thermodynamischen Gleichgewichts. CMS hat unter anderem gebundene Zustände aus Quarks und Antiquarks untersucht, sogenanntes Quarkonium. Dabei beobachteten die Physiker, dass im Quark-Gluon-Plasma mit zunehmender Temperatur immer mehr Quarkonium-Zustände schmelzen. Z-Bosonen unterliegen nicht der starken Wechselwirkung und entweichen ungestört aus dem Quark-Gluon-Plasma. ATLAS nutzt die Korrelationen zwischen Z-Bosonen und stark wechselwirkenden Teilchen, um herauszufinden, wie viel Energie letztere in der heißen Ursuppe verlieren.

Den Physikern eröffnet sich in diesen Versuchen eine exotische Welt, und sie beginnen erst, die Eigenschaften dieser Urmaterie zu verstehen. "Wir haben einen neuen Abschnitt erreicht, in dem wir nicht mehr nur das Phänomen des Quark-Gluon-Plasmas beobachten, sondern Präzisionsmessungen mit einer Auswahl verschiedener Sonden machen können", sagt ATLAS-Sprecherin Fabiola Gianotti. CMS-Sprecher Joseph Candela sieht "eine neue Ära der Hochpräzisionsforschung an stark wechselwirkender Materie bei den höchsten im Labor erzeugbaren Energien". Und ALICE-Sprecher Paolo Giubellino betont: "Wir sind dichter als jemals zuvor daran, die Eigenschaften des Urzustands des Universums zu enträtseln."

Für CERN-Chef Rolf Heuer sind die Versuche exemplarisch für die Vielfalt der Forschungsthemen am weltgrößten Teilchenbeschleuniger. "Es illustriert, wie Physiker am LHC - zusätzlich zur Untersuchung des kürzlich entdeckten Higgs-artigen Bosons - zahlreiche andere wichtige Phänomene studieren - sowohl in Proton-Proton-, als auch in Blei-Bei-Kollisionen."

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