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10.03.2015

Her mit den Kollisionen!

Während der ersten Betriebsphase lief der Large Hadron Collider LHC mit einer Energie von 3,5 TeV pro Teilchenstahl, also einer Kollisionsenergie von 7 TeV, später auch mit 8 TeV. Diese Kollisionsenergie wird nach dem Wiederanlauf auf fast das doppelte ansteigen: 13 TeV, oder 6,5 TeV pro Teilchenstrahl. Diese höhere Energie, hoffen die Physiker, wird nicht nur bei der genaueren Untersuchung des Higgs-Teilchens helfen, sondern auch ganz neue Phänomene aufdecken – zum Beispiel Teilchen, die auf die Existenz von Dunkler Materie hindeuten. Aber die höheren Energien und eine veränderte Konfiguration der Teilchenstrahlen bedeuten auch Veränderungen bei den Teilchenkameras, die alles aufzeichnen, was bei den Kollisionen passiert – den Detektoren.

Video: CERN

ALICE, Spezialist für Untersuchungen eines besonderen Materiezustands, dem Quark-Gluon-Plasma, hat zum Beispiel die letzten fünf von insgesamt 18 „Supermodulen“ für ein Detektorsystem, den Übergangsstrahlungsdetektor, eingebaut. „Damit ist der Übergangsstrahlungsdetektor jetzt komplett“, sagt ALICE-Physiker Rainer Schicker von der Uni Heidelberg. An diesen Supermodulen waren auch die Universitäten Frankfurt und Münster und das GSI in Darmstadt beteiligt. In ALICE wurden auch weitere Detektormodule und neue Szintillationsdetektoren eingesetzt, die spezielle Ereignisse noch besser messen können. Außerdem wurde für eines der zentralen Detektorsysteme von ALICE, die Zeitprojektionskammer TPC, die Ausleseelektronik neu entwickelt, so dass sie verglichen zur ersten Laufzeit die doppelte Bandbreite abdeckt. „ALICE wird in Run2 eine etwa zehn Mal größere Menge an Bleikollisionen aufnehmen als vorher. Mit der größeren Zahl an Ereignissen verbessern wir die Statistik für all die Phänomene, nach denen wir suchen“, erklärt Schicker. Und verbesserte Statistik bedeutet, dass die Wissenschaftler schneller ein seltenes Ereignis besser vom Untergrund unterscheiden können.

Auch beim ATLAS-Detektor, der im Jahr 2012 zusammen mit dem CMS-Detektor das Higgs-Teilchen entdeckt hat, war viel los während der Betriebspause. Eine nagelneue, schnelle und strahlenharte innerste Lage für den Pixeldetektor verspricht ein viel bessere Auflösung direkt am Protonen-Kollisionspunkt als vorher; mit dem so erweiterten und allgemein verbesserten Pixeldetektor kann der ATLAS–Detektor den später erwarteten überlagerten Ereignissen die Stirn bieten. Sieben deutsche Unis und Institute haben hier ihre Hand im Spiel gehabt. Wenn es wieder losgeht, werden sich die Forscher zunächst einmal das Higgs-Teilchen genauer vornehmen. “Wir suchen zum Beispiel nach seltenen Zerfällen und wollen die Arten, wie das Higgs produziert wird, besser entschlüsseln”, erklärt Philip Bechtle von der Universität Bonn. “Aber neben dem Higgs besteht auch sonst ein reiches Tableau an Messungen und Suchen: zum Beispiel die Eigenschaften und seltene Zerfälle des top-Quarks. Und durch die höhere Schwerpunktenergie und die hohe Zahl der Kollisionen können wir versuchen, bisherige Löcher in der Suche nach Supersymmetrie noch besser abzudecken – irgendwo muss ja die Erklärung für die Dunkle Materie sein!”

Die Dunkle Materie steht auch auf der Wunschliste der nächsten Entdeckungen beim CMS-Detektor. Um ihre Analysen noch detaillierter und präziser durchführen zu können, haben die Physiker ebenfalls die Pause genutzt, um den innersten Detektor um eine Lage zu ergänzen und das äußerste Myon-System zu erweitern. Außerdem bauen sie – übrigens unter deutscher Leitung und mit Hilfe des KIT Karlsruhe, der RWTH Aachen und DESYs – auf längere Lebenszeit des inneren Detektorsystems, indem sie eine ausgeklügelte Isolationsschicht zwischen diesem inneren Detektor und den Lagen drumherum entwickelt haben, mit deren Hilfe das Innere jetzt bei -15 Grad läuft – ungefähr 25 Grad kälter als vorher. Auch die Software wurde wie bei allen Experimenten aufgepeppt und optimiert, damit seltene und spannende Ereignisse auf jeden Fall registriert werden.

Der LHCb-Detektor, der sich vor allem der Erforschung des kleinen Unterschiedes zwischen Materie und Antimaterie widmet, hat während der Betriebspause nicht nur das Feld seines riesigen Magneten präzise ausgemessen, um diese Messung in die Berechnungen der Kollisionen einfließen zu lassen, sondern auch das durch den Detektor laufende Strahlrohr durch ein neueres Modell und eine leichtere Stützstruktur ersetzt, so dass sich jetzt weniger unwillkommene Streuteilchen in die Kollisionen hineinschmuggeln.

Stück für Stück wird der LHC jetzt wieder anlaufen, bevor es erste Teilchenkollisionen bei höheren Energien geben kann. Zurzeit stehen die Injektoren auf dem Testprogramm, und Anfang März ist der erste Teilchenstrahl (noch mit niedriger Energie) durch die Detektoren ALICE und LHCb gelaufen. Alle Kontrollsysteme müssen getestet werden, alle Magneten für den Strahlbetrieb vorbereitet und dann vorsichtig mit Teilchenstrahl getestet werden. Bis ein Strahl den kompletten Ring durchläuft, wird es noch einige Wochen dauern, und danach braucht es mehrere Wochen, bevor die LHC-Crew ihre Teilchen sicher auf Kollisionskurs schicken kann. Und auch wenn die Kollisionen beginnen, wird es noch eine ganzw Weile dauern, bis die ersten Ergebnisse veröffentlicht werden können. Physiker brauchen einen langen Atem – und können trotzdem die neue Laufzeit des LHC kaum abwarten.

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