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19.10.2018

Dschungelcamp für Grundlagenforschung

Sommerschule Epistemologie

Experten aus der Philosophie, Wissenschaftsgeschichte, Soziologie und Physik arbeiten gemeinsam an der Frage, welche Auswirkungen die Forschung am Large Hadron Collider hat und wohin der Weg geht. Bild: Uni Wuppertal

Von wegen Elfenbeinturm: Die Teilchenphysik guckt auch gern einmal über den Tellerrand, um ihre konzeptuellen Voraussetzungen und Methoden zu hinterfragen und um sich bewusst mit ihrem historischen und sozialen Rahmen auseinanderzusetzen. An der Uni Wuppertal gibt es hierzu sogar eine internationale Forschungsgruppe, finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG und dem österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, in der sich Expertinnen und Experten aus Philosophie, Soziologie, Geschichte und Physik mit dem Large Hadron Collider LHC aus ihrer ganz eigenen Fachsicht auseinandersetzen.

Diesen Sommer hat diese Forschungsgruppe eine interdisziplinäre und internationale Sommerschule zum Thema „Particle Physics at the Crossroads“ organisiert – „Teilchenphysik am Scheideweg“ oder auch einfach: Teilchenphysik an der Kreuzung. Internationale Teilnehmerinnen und Teilnehmer absolvierten ein Programm aus Vorträgen, Teilnehmer-Präsentationen und Arbeitsgruppen, in denen historische, philosophische und soziologische Aspekte der Teilchenphysik und ihrer Entwicklung detailliert beleuchtet wurden. Damit wollten sie der zentralen Frage auf den Grund gehen, wohin der Weg für die Teilchenphysik geht, wo jetzt das Standardmodell der Teilchenphysik durch den LHC nochmal bestätigt wurde und es noch keine Anzeichen für Physikszenarien jenseits des Standardmodells gibt.

Eine Erkenntnis aus der Woche voller Diskussionen, Einblicken und Austausch war, dass das Wort „Crossroads“ – Kreuzung oder Scheideweg – die aktuelle Lage des Forschungsfeldes nicht unbedingt richtig beschreibt. Als passender kristallisierte sich das Wort „Dschungel“ heraus. „An einer Kreuzung gibt es ja immerhin klar vorgegebene Wege. Man muss nur noch auswählen“, fasst Adrian Wüthrich, einer der beiden Hauptorganisatoren der Schule, zusammen. Mitorganisator Florian Boge ergänzt: „In der gegenwärtigen Situation der Teilchenphysik ist es aber vielleicht nötig, überhaupt erst ein paar mögliche Wege zu finden und vorzuzeichnen. Man kämpft sich also wie Indiana Jones durch den Dschungel der Möglichkeiten und Eventualitäten.“

Die Schule lebte sowohl von den Beiträgen prominenter Persönlichkeiten, wie beispielsweise John Ellis und Rolf Heuer aus der Teilchenphysik, Chris Smeenk aus der Philosophie oder Catherine Westfall aus der Wissenschaftsgeschichte, als auch von studentischen Beiträgen. Viele der eingeladenen Referentinnen und Referenten standen auch in den zahlreichen informellen Diskussionen gerne Rede und Antwort.

„Auch bei der nunmehr dritten Schule dieser Art kommen immer wieder neue Aspekte zu Tage, die uns unser Fachgebiet in neuem Licht sehen lassen“, sagt Christian Zeitnitz, Professor für Teilchenphysik an der Uni Wuppertal. „Besonders fasziniert hat mich dieses Jahr die Diskussionen um die Zukunft der Teilchenphysik nach der Entdeckung des Higgs-Teilchens. Ich bin stolz, dass wir dieses wahrhaft interdisziplinäre Projekt in Wuppertal haben und freue mich darauf, unsere Erkenntnisse mit den Kolleginnen und Kollegen der Teilchenphysik zu teilen."

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich einig, dass das Zusammenbringen von Philosophie, Geschichte, Soziologie und Physik sehr erkenntnisreich und gar nicht so kontrovers war wie manche befürchtet hatten. Die Zukunft der Teilchenphysik mag ungewiss sein, aber interdisziplinäre Ansätze wie diese Sommerschule werden ihrer Meinung nach auf jeden Fall dazu beitragen, die Ziele und Relevanz dieses Zweigs der Grundlagenforschung besser einschätzen zu können.

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