29.06.2018

Higgs bleibt Higgs, auch mit Leptonen

Htt

Neben vielen anderen an der Messung beteiligt: Peter Wagner, Michael Hübner und Lara Schildgen. Bild: Uni Bonn

Seit das Higgs-Teilchen 2012 am CERN wurde, sind Physikerinnen und Physiker auf der ganzen Welt damit beschäftigt, es genau zu vermessen, um alle seine Eigenarten und Eigenschaften genau zu verstehen und sie gegen theoretische Vorhersagen gegenzuchecken. Eine Gruppe von vielen Doktorandinnen, Doktoranden und Postdocs der Universitäten Bonn, Freiburg und Göttingen haben als Teil der weltweiten ATLAS-Kollaboration nun untersucht, wie das Higgs mit schweren Teilchen, den sogenannten tau-Leptonen, interagiert. Ihr Ergebnis: die Theorie hält; das Higgs verhält sich genauso wie vorhergesagt – auch mit Leptonen.

In Teilchenkollisionen am Large Hadron Collider entstehen neue Teilchen, unter vielen anderen manchmal das Higgs. Das Higgs lebt allerdings nicht lange, sondern zerfällt flugs wieder in andere Teilchen – manchmal in zwei sogenannte tau-Leptonen, die mit dem allgegenwärtigen Elektron verwandt sind, allerdings eine viel größere Masse haben. Diese Wechselwirkung, wie auch die des Higgs mit dem top-Quark, nennen Wissenschaftler übrigens die „Yukawa-Wechselwirkung“, benannt nach dem japanischen Theoretiker, der sie vorhergesagt hat. Obwohl diese Art der Wechselwirkung im Standardmodell der Elementarteilchen (die theoretische Grundlage, die die Eigenschaften und Verhaltensweisen der Elementarteilchen und Kräfte beschreibt) zwar bisher schon aufgrund vieler indirekter Messungen vermutet wurde, konnte sie nun erst direkt untersucht werden: Dass das Higgs-Teilchen sich auch hier wie im Standardmodell vorhergesagt verhält ist also eine wichtige Entdeckung.

Doch wo waren wir? Also: Proton trifft Proton, ein Higgs entsteht, zerfällt in zwei tau-Leptonen. Diese sind allerdings genauso kurzlebig wie das Higgs und zerfallen wiederum in andere Teilchen, anhand derer die Wissenschaftler dann Rückschlüsse darauf ziehen können, was bei der Kollision passiert ist. Allerdings ist eins der tau-Zerfallsprodukte immer ein im Detektor nicht sichtbares Neutrino, was das Aufspüren dieses Prozesses sehr schwierig macht. Außerdem sind die anderen Zerfallsprodukte oft identisch mit denen, die bei weniger exotischen Vorgängen entstehen. Kurz: Es ist höllisch kompliziert, sie voneinander zu unterscheiden.

Trotzdem hat es geklappt, und die Zerfallsereignisse waren exakt so häufig, wie es von der Theorie vorhergesagt wird. „Dass es sich dabei um einen Zufall handelt, ist extrem unwahrscheinlich“, sagt Michel Janus von der Universität Göttingen. „Wir sind uns daher sicher, dass wir damit tatsächlich die Yukawa-Wechselwirkung beobachtet haben.“ Damit bestätigen die ATLAS-Wissenschaftler auch ein früheres Resultat des CMS-Experiments, in dem die Wechselwirkung des Higgs-Teilchens mit tau-Leptonen auch beobachtet wurde. Und das Ergebnis passt dazu, dass ATLAS und CMS in diesem Jahr auch schon die Kopplung des Higgs an schwere Quarks, die top-Quarks, beobachtet hat.

Das ist ein weiteres Häkchen auf der langen to-do-Liste zur Erforschung des Higgs-Teilchens und eine weitere Bestätigung des Standardmodells der Teilchenphysik. Allerdings ist das noch lange nicht das Ende, betont Peter Wagner, vom Physikalischen Institut der Universität Bonn. „Bis das Higgs vollständig untersucht ist, wird es wohl noch lange dauern.“

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