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23.03.2021

Die Symmetrie zwischen Elektronen und Myonen wackelt

Forscherinnen und Forscher sind aufgeregt: Am LHCb-Detektor wurden Messungen gemacht, die nicht ins Bild passen

Wissenschaftler:innen von LHCb

Eluned Smith (rechts), Martino Borsato (oben) und Johannes Albrecht (unten) haben die Analyse der spannenden Ergebnisse koordiniert. Bilder: RWTH Aachen, Uni Heidelberg, TU Dortmund

Standardmodell, wir haben ein Problem: Die gängige physikalische Theorie, die das Verhalten aller Kräfte und Teilchen im Universum beschreibt, reicht anscheinend nicht mehr aus. Der neueste Hinweis darauf stammt von der LHCb-Kollaboration, einer internationalen Gruppe von Teilchenphysiker:innen, die den LHCb-Detektor am Forschungszentrum CERN in Genf nutzen. Heute präsentieren Forscherinnen und Forscher der LHCb-Kollaboration zeitgleich auf einer wichtigen Fachkonferenz der Teilchenphysik und in einem Seminar am CERN zwei zentrale Messungen des LHCb-Experiments. Wissenschaftler:innen der RWTH Aachen, der TU Dortmund und der Universität Heidelberg sind an diesen Messungen maßgeblich beteiligt.

Teilchenphysikerin Eluned Smith von der RWTH Aachen, die gemeinsam mit Martino Borsato von der Universität Heidelberg und Johannes Albrecht von der TU Dortmund die Analyse koordiniert hat, sagt: „Die Symmetrie zwischen Elektronen und Myonen wackelt! Wenn sich die Messung mit mehr Daten bestätigt, würde das auf Physikeffekte hindeuten, die so nicht im Standardmodell beschrieben sind.“ Dabei horchen Teilchenphysiker:innen sofort auf und schauen noch einmal ganz genau hin.

Das Standardmodell der Teilchenphysik, eben jene physikalische Theorie, die das Verhalten der Teilchen und Kräfte beschreibt, sagt voraus, dass sich Teilchen mit gleichen Eigenschaften auch gleich verhalten sollten. Teilchen mit gleichen Eigenschaften werden in eine Familie eingeordnet. So gehören zur Familie des Elektrons Teilchen namens Myon und Tau, deren einziger Unterschied in ihrer Masse liegt. Laut Standardmodell sollten Myon und Tau, also die schweren Partner des Elektrons, sich genauso wie das Elektron verhalten. Dieses identische Verhalten der Teilchen, die alle zur Gruppe der Leptonen gehören, nennt sich Lepton-Universalität. Jeder Hinweis darauf, dass sie sich irgendwie unterscheiden, würde für Aufsehen sorgen, weil sie auf neue Teilchen hindeuten können.

Am LHCb-Experiment untersucht man, ob das Verhalten wirklich identisch ist oder ob es leichte Abweichungen gibt. Dabei richten die Wissenschaftler:innen ihr Augenmerk auf sehr seltene Teilchenzerfälle von B+-Mesonen. Sie fanden heraus, dass B+-Mesonen etwas häufiger in eine bestimmte Reihe von Teilchen zerfallen als in eine andere, obwohl sie laut Theorie gleich oft in beide Endzustände zerfallen müssten. Dabei sind diese Zerfälle so selten, dass sie bei zwei Millionen Zerfällen des B+-Mesons nur einmal vorkommen. Das Ergebnis deutet auf eine Verletzung der Lepton-Universalität hin. Noch sind noch nicht genug Daten zusammengekommen, dass man von einer Entdeckung sprechen könnte, aber die Anzeichen sprechen dafür und unter Teilchenphysiker:innen herrscht vorsichtige Aufregung.

„Dieses neue Ergebnis gliedert sich in eine Reihe von Messungen ein, die gemeinsam ein konsistentes Bild ergeben. Die Daten bevorzugen derzeit klar Erklärungen und Modelle, die über das Standardmodell hinausgehen, wie zum Beispiel die Existenz von so-genannten Leptoquarks“, ergänzt Johannes Albrecht. Denn die LHCb-Forscher haben schon eine ganze Reihe verschiedenen Zerfällen studiert, in denen Leptonen und b-Quarks vorkommen. Jede einzelne dieser Untersuchen gab leichte Hinweise auf eine Verletzung der Lepton-Universalität, aber für sich genommen waren die Beobachtungen noch nicht aufschlussreich genug. Wenn man allerdings alle miteinander kombiniert, ergibt sich ein Muster, das für die Aufregung sorgt. Ob gerade der erste Schritt auf dem Weg zu einer richtigen Entdeckung verkündet wurde, wird sich zeigen, wenn die Forscher:innen weitere Daten sammeln und auswerten.

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