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25.03.2025

Ein neues Teil im Materie-Antimaterie-Puzzle

Am Teilchenbeschleuniger LHC werden Protonen nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht. Dadurch entsteht eine Vielzahl kurzlebiger Elementarteilchen, deren Spuren und Zerfälle unter anderem vom LHCb-Detektor erfasst werden. In diesem Zusammenhang konnte das Team der Fakultät Physik jetzt eine wegweisende Messung durchführen und die Erkenntnisse im renommierten Fachjournal Physical Review Letters als „Editors' Suggestion“ veröffentlichen. Dabei wurde ein besonderes System vermessen, sogenannte B0-Mesonen, die zwischen einer Teilchen- und einer Antiteilchenidentität hin- und herwechseln – genannt B0-Oszillation. Diese Oszillation findet extrem schnell statt; etwa achtzig Milliarden Mal pro Sekunde. „Dabei entsteht eine Asymmetrie zwischen Teilchen und Antiteilchen, was für uns besonders interessant ist“, erklärt Vukan Jevtic, der an der TU Dortmund promoviert. „Die Naturkonstanten, die hierbei das unterschiedliche Verhalten von Materie und Antimaterie beschreiben, konnten wir nun erstmals mit Rekord-Präzision messen.“

Gruppenbild mit LHCb-Detektor

Der LHCb-Detektor ist spezialisiert auf den Unterschied zwischen Materie und Antimaterie. Bild: CERN

Die Verletzung der Ladungsparitätssymmetrie (CP), die erstmals in den 1960er Jahren bei der Teilchenart der Mesonen (die aus einem Quark-Antiquark-Paar bestehen) beobachtet wurde, ist schon lange Forschungsgegenstand verschiedener Experimente. Man hatte zwar immer erwartet, dass die andere Hauptklasse der bekannten Teilchen - die Baryonen, die aus drei Quarks bestehen - ebenfalls diesem Phänomen unterworfen sein würden, aber Experimente wie LHCb hatten bisher nur Andeutungen auf eine CP-Verletzung bei Baryonen gesehen. Jetzt haben sie den Beweis.

„Die Größe des Effekts und die verfügbaren Daten sind der Grund, warum wir die CP-Verletzung bei Baryonen später beobachten konnten als bei Mesonen“, erklärt LHCb-Sprecher Vincenzo Vagnoni. „Wir brauchten einen Teilchenbeschleuniger wie den LHC, der genug Baryonen und ihre Antimaterie-Gegenstücke erzeugen kann, und wir brauchten einen Detektor, der in der Lage ist, ihre Zerfallsprodukte genau zu bestimmen. Erst nach mehr als 80 000 Baryon-Zerfällen konnten wir zum ersten Mal eine Materie-Antimaterie-Asymmetrie bei dieser Teilchenklasse feststellen.“

Teilchen und Antiteilchen haben die gleiche Masse, aber entgegengesetzte Ladungen. Wenn sich Teilchen jedoch umwandeln oder in andere Teilchen zerfallen, wie es beispielsweise beim radioaktiven Zerfall eines Atomkerns der Fall ist, verursacht die CP-Verletzung einen Bruch in dieser spiegelbildlichen Symmetrie. Der Effekt kann sich in einem Unterschied in den Zerfallsraten manifestieren, mit denen Teilchen und ihre Antimaterie-Gegenstücke sich in leichtere Teilchen umwandeln. Forschende können das mit hochentwickelten Detektoren und Datenanalysetechniken aufzeichnen.

Die LHCb-Kollaboration beobachtete die CP-Verletzung in einem schwereren, kurzlebigen Cousin von Protonen und Neutronen, dem Beauty-Lambda-Baryon b, das aus einem Up-Quark, einem Down-Quark und einem Beauty-Quark besteht. Zunächst sichteten sie die Daten, die der LHCb-Detektor während der ersten und zweiten LHC-Laufzeit (2009 bis 2013 bzw. 2015 bis 2018) gesammelt hatte, um den Zerfall des Teilchens b in ein Proton, ein Kaon und ein Paar entgegengesetzt geladener Pionen sowie den entsprechenden Zerfall seines Antimaterie-Gegenstücks, des Antib, zu beobachten. Anschließend zählten sie die Anzahl der beobachteten Zerfälle jedes Teilchens und ermittelten die Differenz zwischen den beiden.

Die Analyse ergab, dass die Differenz zwischen der Anzahl der b- und Anti-b-Zerfälle, geteilt durch die Summe der beiden, um 2,45 % von Null abweicht, mit einer Unsicherheit von etwa 0,47 %. Statistisch gesehen weicht das Ergebnis um 5,2 Standardabweichungen von Null ab. Damit liegt sie über dem Schwellenwert, der erforderlich ist, um von einer Beobachtung der CP-Verletzung bei diesem Baryonenzerfall zu sprechen.

Obwohl seit langem erwartet wird, dass es eine CP-Verletzung bei Baryonen gibt, sind die komplexen Vorhersagen des Standardmodells der Teilchenphysik noch nicht genau genug, um einen gründlichen Vergleich zwischen der Theorie und der Messung von LHCb zu ermöglichen.

Verblüffenderweise ist die vom Standardmodell vorhergesagte CP-Verletzung um viele Größenordnungen zu gering, um die im Universum beobachtete Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie zu erklären. Dies deutet darauf hin, dass es unbekannte Quellen der CP-Verletzung gibt. Die Suche nach diesen Quellen ist ein wichtiger Teil des LHC-Physikprogramms und wird auch an den zukünftigen Collidern fortgesetzt, die ihm folgen könnten.

„Je mehr Systeme es gibt, in denen wir CP-Verletzungen beobachten, und je präziser die Messungen sind, desto mehr Möglichkeiten haben wir, das Standardmodell zu testen und nach Physik jenseits des Modells zu suchen“, sagt Vagnoni. „Die erstmalige Beobachtung einer CP-Verletzung in einem Baryonenzerfall ebnet den Weg für weitere theoretische und experimentelle Untersuchungen der Natur der CP-Verletzung, die möglicherweise neue Anhaltspunkte für die Physik jenseits des Standardmodells liefern.“

Die ist eine Pressemeldung des CERN.

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