23.05.2023

Start für neues Experiment: auf der Suche nach der Dunklen Materie


Dunkle Materie, wie man nach ihr sucht und wie ALPS II funktioniert, erklärt diese Animation, die das Science Communication Lab gemeinsam mit DESY entwickelt hat

Unter Schrebergärten und einem großen Park im Hamburger Westen, in einem ehemaligen Beschleunigertunnel, steht ein ganz besonderes Experiment: ALPS II. "ALPS" steht für "Any Light Particle Search", also die Suche nach "irgendeinem" leichten Teilchen. Gemeit sind damit allerdings eine ganz spezielle Sorte Teilchen: die nach einem Waschmittel benannten Axionen. Axionen wurden bisher noch nicht nachgewiesen. Wenn man sie finden würde, würden sie gleich eine ganze Reihe von offenen physikalischen Fragen beantworten. Unter anderem sind sie Kandidaten für die Bausteine der Dunklen Materie. Dunkle Materie sollte nach aktuellen Berechnungen rund fünfmal so häufig im Universum vorkommen wie normale Materie, aber bisher hat sie noch niemand experimentell nachgewiesen.

Vielleicht ändert sich das mit dem ALPS II-Experiment. Das vom Forschungszentrum DESY in internationaler Kollaboration betriebene Experiment ist rund 250 Meter lang und besteht aus vierundzwanzig recycelten supraleitenden Magneten aus dem HERA-Beschleuniger. Zusammen mit intensivem Laserlicht, Präzisionsinterferometrie und hochempfindlichen Detektoren will das internationale Forschungsteam nach Axionen oder axionartigen Teilchen fahnden. Das Problem ist, dass diese Teilchen nur extrem schwach mit bekannter Materie interagieren, so dass sie an Beschleunigerexperimenten nicht gefunden werden können. Daher verwendet ALPS ein völlig anderes Messprinzip: In einem starken Magnetfeld könnten sich Lichtteilchen – Photonen– in Axionen und wieder zurück in Licht umwandeln.

In einem rund 120 Meter langen Vakuumrohr, das von zwölf in gerader Reihe aufgestellten HERA-Magneten umschlossen wird, spiegelt das ALPS-Team hochintensives Laserlicht in einem sogenannten optischen Resonator hin und her. Sollte sich in dem starken Magnetfeld ein Photon in ein Axion verwandeln, könnte dieses eine lichtdichte Wand durchqueren, die am Ende dieser Magnetreihe steht. Hinter dieser Wand steht eine fast gleich aufgebaute Magnetstrecke. In ihr könnte sich dieses Axion wieder in Licht zurückverwandeln, das durch den Detektor am Ende aufgefangen wird. Ein zweiter optischer Resonator, der hier aufgebaut ist, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem Axion wieder ein Lichtteilchen wird, um den Faktor 10 000. Sieht man jetzt also Licht hinter der Wand, so muss es zwischendurch ein Axion gewesen sein. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Photon in ein Axion und wieder zurückverwandelt, ist allerdings trotz all unserer Techniktricks sehr klein – vergleichbar damit, dass man gleichzeitig mit 33 Würfeln einen Pasch wirft“, sagt DESY-Forscher Axel Lindner, Projektleiter und Sprecher der ALPS-Kollaboration.

Damit die Messung funktioniert, haben die Forschenden alle Komponenten des Experiments zur Höchstleistung getrieben. Der Lichtdetektor ist so empfindlich, dass er ein einzelnes Lichtteilchen pro Tag nachweisen kann. Auch die Präzision des Spiegelsystems für das Licht ist rekordverdächtig: der Spiegelabstand darf relativ zur Wellenlänge des Laserlichts höchstens um den Bruchteil eines Atomdurchmessers variieren. Und die jeweils neun Meter langen supraleitenden Magnete erzeugen in dem Vakuumrohr ein Magnetfeld von 5,3 Tesla, mehr als dem 100 000-fachen des Erdmagnetfelds. Die Magnete stammen aus dem 6,3 Kilometer langen Protonenring des HERA-Beschleunigers und erfuhren für das ALPS-Projekt ein Upcycling. Das Innere der ursprünglich gebogenen Magnete wurde extra für das Experiment geradegebogen, damit mehr Laserlicht in ihnen gespeichert werden kann, die Sicherheitseinrichtungen für den supraleitenden Betrieb bei minus 269 Grad Celsius wurden komplett überarbeitet.

Wir melden uns wieder aus dem Hamburger Untergrund, wenn ALPS II seine ersten Forschungsergebnisse veröffentlicht!

Eine Version dieser News erschien als Pressemeldung des Forschungszentrums DESY.

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