mehr zum LHC
  • Der LHC in der Mediathek
    Fotos, Videos und Broschüren rund um den LHC gibt es in der Mediathek
  • News zum LHC
    Hier finden Sie in unserem Archiv alle News rund um die Weltmaschine LHC
RSS-Feed
23.09.2015

Was ist eigentlich ein Teilchenstrahl?

CCC

Von diesem Kontrollzentrum aus werden die Teilchenstrahlen gesteuert. Bild: CERN

Seit Mitte des Jahres kreisen im Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) am CERN wieder die Protonen, und das mit höherer Energie als je zuvor. (Mehr zur Funktionsweise hier). Allerdings gibt es keinen An- und Aus-Schalter, auf den die Operateure drücken und der die Teilchen kollidieren lässt – am Teilchenstrahl wird hart gearbeitet und an etlichen Parameter-Rädchen gedreht, um ihn genau in das Format zu bringen, das für den Regelbetrieb vorgesehen ist.

Zwei der Rädchen, an denen sie drehen müssen, sind die Anzahl der Teilchenbündel – der sogenannten Teilchenpakete –und die Anzahl der Teilchen in diesen Bündeln. Denn im LHC werden nicht etwa einzelne Protonen gegeneinander geschossen, und es rauscht auch kein kontinuierlicher „Protonenfluss“ durch die Magnete. Vielmehr ist der Teilchenstrahl in viele Pakete eingeteilt, die in genau festgelegten Abständen durch den Beschleuniger sausen. Jedes dieser Pakete enthält eine bestimmte Anzahl von Protonen, die von Paket zu Paket variieren kann – ein bisschen wie Zugwaggons mit Passagieren. Wenn ein nomineller LHC-Strahl also ein Zug wäre, hätte er 2808 Waggons, in denen jeweils bis zu 120000000000 (120 Milliarden oder 1,2 x 10^11) Passagiere sitzen können und die mit einem Abstand von 25 Nanosekunden - also etwa acht Metern – mit annähernd Lichtgeschwindigkeit durch den LHC jagen.

Das ist das Ziel der Beschleunigerexperten, um den Detektoren die versprochene Menge an Kollisionen liefern zu können. Nur anhand von vielen Daten (die sie aus den Kollisionen gewinnen) können die Teilchenphysiker normale von seltenen Ereignissen unterscheiden und Neues entdecken. Und obwohl es so klingt, als ob es in den Waggons voller ist als in einem echten Zug kurz vor Weihnachten, kollidieren doch immer nur eine Handvoll der Milliarden von Teilchen in einem Waggon-Paket – der größte Teil saust aneinander vorbei und bekommt bei der nächsten Runde wieder eine Chance. Und der nächsten und der nächsten. Denn ein Teilchenstrahl kann mehrere Stunden lang im LHC kreisen und dabei pro Sekunde mehr als 11000 Runden drehen.

Nun läuft der LHC seit Mitte des Jahres nach seiner langen Betriebspause wieder mit einer jetzt von 4 auf 6,5 Teraelektronenvolt gesteigerten Teilchenenergie. Obwohl das nicht nach einem gravierenden Unterschied klingt haben die Operateure einen Beschleuniger vor sich, dessen Eigenschaften sie erst kennenlernen müssen. „Das ist ein ganz normaler Prozess, den Operateure an allen Beschleunigern rund um die Welt machen“, sagt CERN-Beschleunigerexperte und Honorarprofessor an der TU Darmstadt Rüdiger Schmidt. „Deswegen fangen wir auch vorsichtig an: zunächst mit einem Paket mit wenigen Protonen, dann werden es mehr, bei verhältnismäßig großem zeitlichen Abstand der Pakete.“ Inzwischen ist der LHC bei 1177 Teilchenpakten mit einer Teilchenanzahl von je etwa 110 Milliarden Teilchen angekommen. „Fünf Wochen haben wir noch, um die Anzahl der Pakete zu erhöhen“, erzählt Schmidt, denn dann geht der Betrieb mit Schwerionen los. „Es ist unser Ziel, bis zum Ende des Jahres die Anzahl der Pakete noch weiter zu erhöhen.“

Ein erwartetes, aber noch nicht ganz gelöstes Problem ist dabei der Aufbau von sogenannten Elektronenwolken im Beschleuniger, die den eigentlichen Protonenstrahl stören können. Im Gegensatz zur ersten Laufzeit, in der der LHC mit mehr Teilchen pro Paket, aber zeitlich größeren Abständen zwischen den Paketen gelaufen ist, sind dieses Jahr zwar weniger Teilchen im Paket, dafür folgen die Pakete aber dichter aufeinander. Das fördert den ungewünschten Effekt, bei dem sich Elektronen aus der Wand der Vakuumkammer lösen, vom Protonenstrahl mitgerissen dann wieder andere Elektronen herauslösen, bis sich eine Wolke bildet. Diese Wolke kann nicht nur den Strahl instabil machen, sondern auch Energie auf eine Abschirmung, der sich innerhalb der Vakuumkammer befindet übertragen und so das Kühlsystem des Strahlrohrs erheblich fordern. Gegen diese Wolke wird der LHC regelmäßig von innen mit Hilfe eines Teilchenstrahls „geschrubbt“, um den Elektronen keine Chance zu geben. „Wir machen das ganz vorsichtig und erhöhen langsam die Intensität“, sagt Schmidt. „Noch sind wir nicht da, wo wir hinwollen.“ Auch Staubteilchen sind im überarbeiteten LHC eine Herausforderung, der die Beschleunigerexperten gerade auf den Grund gehen. Denn die Staubteilchen können dazu führen, dass der Strahl gestoppt werden muss und die Detektoren so weniger Kollisionen aufzeichnen können.

Ein normaler Tag am LHC besteht also darin, an den Einstellungsrädchen des Beschleunigers zu drehen, um die Anzahl der Kollisionen so hoch wie möglich zu bekommen, und gleichzeitig den Strahl so stabil zu halten, dass die Detektoren mit den momentan erreichbaren Einstellungen so viele Kollisionsereignisse wie möglich aufzeichnen können.

ˆ