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11.04.2024

Trauer um Peter Higgs

Er war ein großer Denker und ein bescheidener Mann: am 8. April ist Peter Higgs in seiner Heimat Edinburgh im Alter von 94 Jahren verstorben. Die Gemeinschaft der Teilchenphysikerinnen und -physiker trauert um den theoretischen Physiker und Nobelpreisträger. Higgs war eine der zentralen richtungsgebenden Figuren der Teilchenforschung der letzten Jahrzehnte; das 2012 am Large Hadron Collider LHC entdeckte Higgs-Teilchen trägt nicht zufällig seinen Namen.

Portrait des Physikers Peter Higgs

Der theoretische Physiker und Nobelpreisträger Peter Higgs. Bild: CERN, Claudia Marcelloni

„Seine Ideen haben einige der größten Rätsel der Grundlagenforschung gelöst und die Art und Weise, wie wir die Natur und unser Universum verstehen, völlig verändert“, sagt Marumi Kado, Direktor am Max-Planck-Institut für Physik in München und Experte für Higgs-Physik. „Bei den seltenen Gelegenheiten, in denen er in der Öffentlichkeit sprach, fielen immer seine Bescheidenheit und seine Freundlichkeit auf. Sein erster Gedanke, nachdem er von der Entdeckung des Higgs-Teilchens erfahren habe, soll "Das war’s dann wohl jetzt für mich mit der Ruhe!" gewesen sein, so ein aufgezeichnetes Dokument, das während der Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag der Entdeckung des Higgs-Teilchens gezeigt wurde“, erinnert sich Kado. „Sein immenses wissenschaftliches Vermächtnis ist ein Segen für uns und wir sind zutiefst inspiriert durch seine Bescheidenheit.“

Die Teilchenphysik vertraut in Berechnungen und Beoachtungen auf das sogenannte Standardmodell, das die Bausteine der Materie und die Kräfte, die zwischen ihnen wirken, hervorragend beschreibt. Allerdings hatte dieses Modell in seinen ersten Ansätzen eine Schwachstelle: Alle Teilchen, die als Botenteilchen die physikalischen Kräfte vermitteln, hätten masselos sein müssen. Allerdings haben Experimente eindeutig gezeigt, dass das nicht für alle gilt. Um diesen Widerspruch aufzulösen, führten Peter Higgs sowie Robert Brout († 2011) und François Englert in den 1960er Jahren ein neues Kraftfeld ein. Dieses Feld durchdringt das ganze Universum und verleiht anderen Teilchen ihre Masse, sofern sie mit dem Feld wechselwirken. Je stärker diese Wechselwirkung ist, desto größer ist die Masse des Teilchens. Peter Higgs erkannte 1964, dass mit diesem Feld selber auch ein neues Teilchen verbunden ist – seither tragen deshalb sowohl das Teilchen als auch das Kraftfeld den Namen Higgs.

Im Juli 2012 verkündeten Wissenschaftler:innen, dass sie bei der Suche nach dem Higgs-Teilchen mit den Experimenten ATLAS und CMS am Large Hadron Collider (LHC) tatsächlich ein neues Teilchen gefunden haben. Im Jahr 2013 erhielten Peter Higgs und François Englert für ihre Vorhersage des Higgs-Feldes und dem damit assoziierten Higgs-Teilchen den Nobelpreis für Physik.

Kerstin Tackmann, ebenfalls Higgs-Expertin, Wissenschaftlerin am Forschungszentrum DESY und Professorin für Teilchenphysik an der Universität Hamburg, freut sich besonders darüber, dass Higgs den experimentellen Erfolg seiner theoretischen Überlegungen noch so lange mitverfolgen konnte. "Ich kann mich gut an die Aufregung erinnern, als wir die Entdeckung des neuen Teilchens bekannt gegeben haben”, erzählt sie. “Ich fand es sehr schön, dass Peter Higgs und auch François Englert bei der Bekanntgebung dabei sein konnten."

Das wissenschaftliche Vermächtnis von Peter Higgs wird die Teilchenphysik noch über mehrere Jahrzente beschäftigen, weil einserseits die genauen Eigenschaften des Higgs-Teilchens noch besser analysiert werden müssen und andererseits das Higgs, in großer Stückzahl in einem “Higgs-Fabrik” genannten Teilchenbeschleuniger produziert, Aufschluss auf weitere ungeklärte Phänomene im Universum geben könnte. Meherer solcher Higgs-Fabriken sind derzeit in Planung und noch ist unklar, ob und wann sie gebaut wird.

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