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10.03.2023

Schwer zu toppen: So könnten vier Top-Quarks auf einmal entstehen

Querschnitt eines Teilchendetektors mit einem Wirrwarr aus Teilchenspuren von einem Kollisionsevent

So könnte ein Ereignis mit vier Top-Quarks aussehen, bei dem eins der Top-Quarks einen Jet erzeugt, der von einem b-Quark (b-Jet), einem Myon und einem Neutrino (das das CMS-Experiment nicht direkt nachweisen kann) stammt. Die zusätzlichen Jets könnten von den anderen drei Top-Quarks stammen. Bild: CMS / CERN

Das Top-Quark ist ein echtes Schwergewicht unter den Teilchen und dementsprechend selten wird es in den Kollisionen am Large Hadron Collider LHC am CERN produziert. Die Wissenschaftler:innen der CMS-Kollaboration haben jetzt vielleicht einen ziemlich seltenen Mechanismus zur Erzeugung von vier Top-Quarks gefunden.

Das Standardmodell der Teilchenphysik sagt diese gleichzeitige Erzeugung von vier top-Quarks voraus. Die Beobachtung ist aber nicht nur wegen der top-Quarks interessant, sondern auch weil, er den Einfluss von vielen hypothetischen, unentdeckten Teilchen und Kräften auf die Häufigkeit der Entstehung von vier Quarks (und deren Verhalten) beeinflussen. Bisher reichen die Daten nicht dafür, von einer „Entdeckung“ zu sprechen, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen statistischen Zufall handelt, nur etwa eins zu zwanzigtausend.

Warum untersucht man eigentlich top-Quarks? Zunächst einmal sind sie so selten, dass im Durchschnitt nur bei einer von Hunderten von Millionen Kollisionen ein Top-Quark entsteht. Und sie sind etwas Besonderes: Top-Quarks könnten der Schlüssel zum Verständnis sein, wie und warum das Higgs-Teilchen die Masse hat, die es hat - ein wichtiges Rätsel in unserem Verständnis der Elementarteilchen.

Top-Quarks können auf viele Arten erzeugt werden. Top-Quark-Antiquark-Paare sind am häufigsten, außerdem haben Teilchenphysiker:innen auch schon einzelne Top-Quarks beobachtet, die für sich allein stehen. Vier solcher Quarks auf einmal sind viel seltener. Bei einer Kollision entstehen dann zwei Top-Quarks und zwei Top-Antiquarks. Allerdings geschieht dies nicht oft. Für jede Kollision, bei der vier Top-Quarks entstehen, erwarten wir 4000 Kollisionen, bei denen die ebenfalls seltenen Higgs-Teilchen entstehen.

„Die Suche nach Ereignissen mit vier Top-Quarks ist eine Herausforderung, aber es lohnt sich“, sagt Freya Blekman von der Universität Hamburg und dem Forschungszentrum DESY, die seit über vier Jahren die Erzeugung von vier Top-Quarks untersucht. Neue unentdeckte Teilchen oder selbst eine Wechselwirkung zwischen dem Top-Quark und dem Higgs, die nicht den Berechnungen entspricht, würden die Häufigkeit der Entstehung von vier Top-Quarks verändern, erklärt sie. „Außerdem liefern unsere vier Top-Quarks spektakuläre Ereignisse, die uns ganz schön herausfordern.“ Jedes Top-Quark zerfällt in weitere Teilchen, nämlich ein W-Boson und ein Bottom-Quark, und jedes Quark erzeugt einen unverwechselbaren Strahl von Teilchen, den so genannten Jet. Das W-Boson wiederum kann entweder ein geladenes Lepton und ein Neutrino oder zwei Quark-Jets erzeugen. Das bedeutet für die Forschenden, dass die vom Detektor registrierten Bilder der Teilchenzerfälle drastisch variiert und zur Identifizierung von vier Top-Quark-Ereignissen alles von null bis zu vier geladenen Leptonen, wie Myonen oder Elektronen, und bis zu zwölf Jets enthalten kann. Die Suche nach vier Top-Quark-Ereignissen ist also eine große Herausforderung,

Deswegen konzentriert sich CMS zum ersten Mal auf das Szenario, bei dem nur Jets erzeugt werden, und setzte dafür einen neuen Algorithmus für maschinelles Lernen ein, um die vier Top-Quark-Ereignisse vom uninteressanten „Untergrund“ zu unterscheiden und um das Verhalten dieses Untergrunds mit Hilfe der gemessenen Daten vorherzusagen, nachdem die Vorhersage der Hintergrundeigenschaften mit Hilfe simulierter Ereignisse trainiert wurde. Fortschritte bei den experimentellen Techniken und der Bewertung des Untergrunds, typischerweise unter Verwendung von maschinellem Lernen, verbessern unseren Einblick und unser Verständnis für diese Art von LHC-Ereignissen.

Die Anzahl der Kollisionen, die mit der Produktion von vier Top-Quarks übereinstimmen, übersteigt leicht die Vorhersage des Standardmodells, ist aber innerhalb der großen Messunsicherheiten immer noch vollständig damit vereinbar. Die Genauigkeit der Analyse wird sich erheblich verbessern, wenn mehr Daten hinzukommen, so dass die Produktion von vier Top-Quarks eines der spannenden Themen ist, die während der dritten Laufzeit des LHC untersucht werden sollen, ebenso wie mit dem High-Lumi-LHC, der in den späten 2020er Jahren in Betrieb gehen und 20-mal mehr Daten liefern soll als jetzt.


Mehr Info:
Evidence for four-top quark production in proton-proton collisions at s√= 13 TeV

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